Die Verschwörer (Teil2*)

 

Es wurde kalt. Ti-Ana zog ihren Umhang fester um sich. Die Nacht war bereits eingebrochen, eine dunkle und wolkenlose Nacht. Der Mond hing als schmale Sichel über dem Sternen übersäten Firmament. Nur am Horizont blitzte noch ein schmaler heller Streifen, dort, wo die endlose Steppe den Himmel zu berühren schien. Die dunkle Kleidung der Hügelfrau verschmolz ebenso wie das karge Steppengras mit der Dunkelheit. Der kleine Vogel, ihr ständiger Begleiter hier in der Qunje Esquar, hatte sich bereits einen Schlafplatz für die Nacht gesucht. Nur schwach spürte sie noch seine Gegenwart. Ruhe war in der Steppe eingekehrt.

Den ganzen Tag hatte sie in Aist verbracht und sie war froh, dem lauten Trubel des qunischen Basars entkommen zu sein.
Aist... Eigentlich mehr eine befestigte Garnison der Caswallonier, an deren Rand sich der kleine Basar der Qun schmiegte. Ein dutzend Händler, vielleicht mehr, vielleicht weniger, boten dort lautstark ihre Waren feil. Überall wurde gefeilscht und gestikuliert.
Ti-Ana hatte ein paar der angebotenen Speisen probiert, die ungewohnt, aber ausgesprochen gut schmeckten. Ein schwarzes Getränk, Kaffa nicht unähnlich, aber wesentlich stärker, hätte wohl den Gefallen der Druidin Chat Bidu gefunden.
Gedankenverloren wanderte die Tuach na Moch über die Steppe, als sie mit einem Mal Stimmen hörte.

Sie duckte sich und schlich vorsichtig näher. In der Dunkelheit konnte sie drei Gestalten ausmachen, die leise miteinander sprachen. Ti-Anas Neugier erwachte. Es roch förmlich nach einer Verschwörung, anders konnte sie sich die Versammlung der Drei mitten in der Nacht nicht erklären. Es war eine seltsame kleine Gruppe: Der Rädelsführer schien ein groß gewachsener, stämmiger Qun zu sein. In seiner Begleitung befanden sich zwei Frauen, auf eine passte die Beschreibung der qunischen Schamaninnen, sie trug ein Geweih. Die andere Frau fiel durch ihre geschmeidigen Bewegungen auf, seltsam waren aber vor allem ihre Augen, sie schienen beinahe zu glühen, so leuchteten sie in dem matten Sternenlicht.
Offensichtlich fühlte sich die Gruppe unbeobachtet. Bald waren sie in ein hitziges Gespräch vertieft, bei dem sie alle Vorsicht außer Acht ließen. Beinahe mühelos gelang es der kleinen Frau sich so nah an die Gruppe anzuschleichen, dass sie das Gespräch belauschen konnte.
Sie hatte zwar schon einige Zeit in diesem Land verbracht, aber noch immer fiel es ihr schwer, sich in diese ungewohnte Sprache einzufinden. Aber was sie nun hörte, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren.

‚Arkan....' ‚...es ist an der Zeit...' ‚Arkan...' ‚...ein Kind zu holen...' ‚Arkan...' ‚...an der Zeit...' ‚Arkan, es ist...' ‚...ein Kind zu holen...' ‚Arkan...'
‚Arkan! Es ist an der Zeit, das Kind zu holen!'
Arkan erwachte. Er blinzelte. War das nicht Chat Bidu gewesen?
Der Thronsaal war leer. Er musste geträumt haben.
Langsam kam er wieder zu sich. Richtig, er war wohl auf seinem Thron eingenickt. Sein Blick schweifte durch die große Halle, streifte die schweren Vorhänge und blieb ziellos an den Gemälden hängen, während er den Traum festzuhalten suchte.
Ein seltsamer Traum, dachte Arkan noch, als es klopfte.
"Ja?"
Einer seiner Fianna betrat den Raum.
"Ich bitte um Verzeihung, Majestät, aber Eure Beobachterin auf der Weslichen Welt ist soeben eingetroffen und wünscht Euch in einer dringenden Angelegenheit zu sprechen."
"Nun, dann wollen wir sie nicht warten lassen, oder?" erwiderte der Hügelprinz, während er sich den Schlaf aus den Augen rieb und sich aufrecht in seinem Thron zurechtsetzte.

Mit klopfendem Herzen betrat die Hügelfrau den Thronsaal. Wie würde ihr Herrscher wohl auf ihre Neuigkeiten reagieren? Der Prinz der Tuach na Moch neigte zu etwas eigenwilligem Humor, er war, wie man so schön sagt, unberechenbar. Würde er ihr helfen können, vielmehr: würde er es auch wollen?
"Ti-Ana! Schön Euch zu sehen!"
"Seid gegrüßt, Hoheit." Sich tief verbeugend näherte sie sich dem Thron.
"Schon zurück? Sind Euch die Qun langweilig geworden?" Er grinste.
"Majestät, verzeiht, dass ich so hereinplatze, aber ich habe furchtbare Dinge zu berichten." stieß sie aufgebracht hervor. "Das Kind des Qan Üsa Masal soll entführt und ermordet werden. Nur Ihr könnt es noch retten!"
Das Lächeln in Arkans Gesicht erstarb. Er erhob sich. Mit entschlossenem Gesicht griff er sein Schwert und trat auf Ti-Ana zu.
"Es ist an der Zeit, das Kind zu holen!"

 

* Der erste Teil ist im aktuellen Kristallboten zu lesen!

 

Die Verschwörer (Teil2)
Ti-Ana Aleria
Karen Holdt

 

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Stand:30.09.2010