Das Spiel der Theachta

 

Die Lautstärke des Festes war überwältigend und ohrenbetäubend. Der große Saal war gefüllt mit reich bedeckten Tischen. Das Aroma der dampfenden Speisen vermischte sich mit der Süße des reichlich gezechten Weines und den Körperölen der anwesenden Gäste.
Der sichtbar angetrunkene Mann zu ihrer Rechten brachte es nur mit unbeholfenen Bewegungen fertig sich grunzend und prustend aufzurichten. Seine Stütze suchende Hand kam, nur sehr knapp eine Schale mit Fleisch verfehlend, auf dem Tisch vor ihnen auf.
"Auf unseren Regenten und...," die Worte schienen in der Luft geschrieben zu sein, was seinen suchenden Blick anging, "...und seiner bezaubernden Gemahlin," stieß er plötzlich entschlossen hervor.
Das Getöse wurde stärker durch die in den Saal gebrüllten Bestätigungen.
Chat Bidu sank mit einem schweren Seufzer tiefer in ihren Stuhl zurück. In diesem Gewirr ging die still sitzende Druidin fast unter, verschmolz regelrecht mit dem Schatten der schweren Säulen hinter ihr.
Dabei hatte dieses Fest recht gut angefangen...

Jardon m'aghellon vom Haus der na Bach erzählte lautstark dem Prinzen, daß Norgh f'rraghl letzte Woche hinterhältig gemorchelt in seinem Gemach aufgefunden worden war.
Die Druidin nippte an ihrem Kelch und ließ ihre Zunge mit dem schweren Wein spielen. Der Hügelprinz schien sehr überrascht über das Gehörte.
"Mein guter Jardon, es ist wirklich schon lange her, daß es in Mochs Reich einen solch hinterhältigen Mord gegeben hat, - aber meine Fianna tun ihr Bestes, der Sache auf den Grund zu gehen."
Die Aussage des Prinzen reichte Jardon m'aghellon wohl nicht, was seine Miene deutlich wiederspiegelte, aber seine Dankesbekundungen über die Mühe des Prinzen in diesem Fall rann süß wie schwerer Zuckerguß von seiner Zunge in die Ohren der Umherstehenden.
Pah! Die Druidin schluckte den Wein. Als ob dieser Mord Jardon m'aghellon vom Teach na Bach nicht recht käme! Hatte er nicht schon lange ein Techtelmechtel mit der Frau des unglücklich Dahingeschiedenen? Die beiden waren von je her als Konkurrenten bekannt, und wenn es Gemeinsamkeiten zwischen ihnen gegeben haben sollte, dann, daß sie die Druidenbrut im Kristallpalast haßten und das gleiche Weib liebten.

Sie studierte, lauschte und beobachtete die ganze Feierlichkeit lang die Personen und spürte die haßerfüllten Blicke des Teach na Bach mit aller Macht, - solange sie nicht zurückschaute.
Lachende, amüsierte Augen trafen ihren Blick. Arkan e'dhelcú hob seinen Kelch und prostete ihr mit einem eindeutig werbenden Augenzwinkern, zu. Brüsk wandte sich Chat Bidu ab.
Wie konnte er es wagen? Hatte sie doch gehofft, daß der Prinz jetzt als frischgebackener Familienvater zumindest für einige Zeit den Anstand besitzen würde, seine unerwünschten Sympathiebekundungen der Druidin gegenüber fallen zu lassen.
Fiacha, seine kleine, hübsche Frau, lächelte amüsiert, und prostete ihr, dem Blick ihres Gatten folgend, ebenfalls zu. Bei Moch, sie hatte das ganze Geschehen offensichtlich auch noch beobachtet!
Chat fühlte sich unwohl in ihrer Haut, weil sie merkte, wie sie vor Scham zu erröten drohte, und sie senkte den Kopf. Außerdem bereitete ihr der ständige Lärm allmählich Kopfschmerzen.
Arkan sah aus den Augenwinkeln heraus, wie die Druidin sich langsam aufrichtete, - dann waren, wo sie vorher gestanden hatte, nichts als ein paar angetrunkene Gäste.
Ein kleiner Fingerzeig des Prinzen genügte, um einen Fianna auf ihre Fersen zu setzen. Angeheitert wie er war, wußte er doch, daß es genügend Untertanen gab, welche die Druidin gerne vom Kristallpalast entfernen würden, - sei es auf die eine oder andere Weise -, aber er genoß mittlerweile ihre Gegenwart viel zu sehr, als daß er als ihr Hausherr nicht für ihre Sicherheit Sorge tragen würde.
Immer noch lächelnd schlang er seinen Arm um seine Gattin Fiacha und drückte sie herzlich an sich, während sein Fianna im dunklen Torweg verschwand.

Der Fianna folgte der kleinen Druidin durch die Gänge. Er ahnte schon, wohin der Weg führen würde, - zu oft hatte er Stunde um Stunde vor dem Studierzimmer gewacht. Vor der Wegbiegung hielt er an und lauschte dem Klang einer schweren Holztüre, die mit einem satten Klacken wieder ins Schloß fiel.

Chat Bidu ließ die Tür zufallen. Die Schwärze des Raumes schärfte ihre Sinne, und sie sog die Stille wie ein Schwamm in sich ein, bevor sie zielgenau nach einer Kristall-Lampe zu ihrer Rechten griff, welche sich durch ihre bloße Berührung erhellte. Sanftes Licht tauchte ihr Umfeld ein und ließ den Charme dieses kleinen, prächtig eingerichteten Raumes voll entfalten.
Der schwere Teppich unter ihren Füßen schluckte jedes Geräusch ihrer Schritte. Vor einem Regal blieb sie stehen, hängte die Lampe an einen vorgesehenen Haken ein, zog mit beiden Händen ein großes, in Leder gebundenes Buch hervor und legte es vorsichtig auf den Teppich.
Dann griff ihre Hand in die dunkle Lücke des Regals und brachte eine kleine, grob bearbeitete Holzkiste hervor, die sie zu dem Tisch in der Mitte des Raumes trug.
Sie entzündete die Kerzen eines kupfernen Kerzenleuchters auf dem Tisch, setzte sich auf einen mit schweren Kissen gepolsterten Stuhl und ließ ihren Blick lange nachdenklich auf einigen unbeschriebenen Pergamentrollen ruhen.
Dann griff sie zur Feder und schrieb einen halbseitigen Brief.
'Das müßte reichen,' dachte sie und ließ sich tief in die Kissen der Rückenlehne sacken. Ihre Hände griffen das Pergament und langsam, Wort für Wort, las sie ihre Zeilen nochmals durch.
"Ja, das ist gut so!" flüsterte sie und und öffnete das Holzkistchen. Es war leer.
Langsam und andächtig breitete die Druidin ihre Hände darüber aus und verharrte mit geschlossenen Augen und murmelnden Lippenbewegungen, bis ein blauer Schimmer in der Kiste erschien, der mit leisem Knistern wieder verschwand, - und sieben Ringe zum Vorschein brachte.
Chat Bidu nahm Sigellack, erwärmte ihn und wählte gezielt einen der Ringe, um ihn auf ihren Brief in den feuchten Kleks des Lackes zu drücken.
Ein zufriedenes Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie die Schatulle schloß und wieder ins Regal hinter dem Buch verschwinden ließ. Wieder am Schreibtisch stehend, ließen einige Gesten ihrer Hände die Briefrolle verschwinden, so daß nichts, bis auf ein Tropfen Kerzenwachs auf dem Tisch, darauf schließen ließ, daß hier gearbeitet worden war. Sie löschte die Kerzen und trug die Kristall-Lampe wieder an den Mauersims der Tür, löschte auch diese und trat durch die Tür in den abgedunkelten Flur des Palastes zurück. Leise klickte das Türschloß hinter ihr ein, und sie beschloß, daß es jetzt Zeit war zum Fest zurückzukehren. Immerhin wollte sie den ihr folgenden Fianna nicht gar so lang vom Fest und somit von seiner eigentlichen Aufgaben, dem Schutz des Prinzen, fernhalten.

Der Fianna folgte ihr. Selten hatte er die Druidin so beschwingten Schrittes laufen gesehen, und noch nie, in all den Monaten zuvor, hatte er sie summen gehört. Offensichtlich war die Druidin heute Nacht in besonders guter Stimmung.

 

Das Spiel der Theachta
Chat Bidu
Britta Durchleuchter

 

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Stand:30.09.2010