Teil 3
Ein Fianna kam in den Thronsaal gestürzt - ohne darauf zu achten, dass er in eine Ratsversammlung hineinplatzte. Der Prinz hatte diese Anweisung gegeben, es ging immerhin um seinen Sohn.
"Mein Prinz, Hauptmann MacLlyr ist erwacht. Er ist noch schwach, aber er verlangt nach Euch."
Arkan erstarrte, dann schickte seine Berater fort und eilte hinter dem Boten her. Dabei lächelte er seit vielen Tagen das erste Mal wieder... seit sein Sohn plötzlich wieder aufgetaucht und vor seinen Augen zusammengebrochen war. Das war nun zwei Wochen her, die Wunden auf dem ausgemergelten Körper heilten zwar, aber sehr viel langsamer als sie es eigentlich tun müssten. Zumindest hatten die Heiler es geschafft, dass die Kraft wieder in Feachs Körper zurückgekehrt war.
Atemlos betrat er das Krankenzimmer, immer noch lächelnd. Feach hatte die Augen geöffnet und sah ihm entgegen. Der Schmerz in seinem Blick setzte Arkan zu, aber erst als sein Blick auf das Schwert fiel, das Feach an sich geklammert hatte verlangsamte er seinen Schritt.
"Du bist wach. Wir haben uns Sorgen um dich gemacht. Was ist geschehen? Du sagtest, du wüsstest wer uns bedroht? Wie können wir uns verteidigen?"
Feachs Lippen verzogen sich zu einem gequälten Lächeln.
"Mir geht es gut, Vater, danke der Nachfrage. Und dir?"
Zufrieden registrierte Feach, dass Arkan schuldbewusst zusammenzuckte.
"Ja, ich weiß wer uns bedroht. Oder zumindest was uns bedroht. Aber ich sollte der Reihe nach erzählen. In der Nacht, in welcher ich verschwand, wehrte ich einen Angriff ab, der einem meiner Fianna galt. Es gelang mir, dem Angreifer entgegenzutreten, und nur indem ich meine ganze Macht aufbot, konnte ich standhalten. Und ich rede nicht von körperlicher Stärke. Unser Feind beherrscht die Zeitmagie, Vater. Dadurch konnte er die Mocha verschwinden lassen. Doch die geballte Macht war etwas zu viel für die Realität, fürchte ich. Wir wurden weggeschleudert, durch Zeit und Raum. Ich landete im Amseru Nac, der Nicht-Zeit. Kraftlos und zerschunden schleppte ich mich vorwärts, blind vor Erschöpfung. Irgendwann kam ich dann aus dieser Zone hinaus und schleppte mich heim. Wo mein Gegner gelandet ist, kann ich nicht sagen. Aber ich ahne, wo ich seine Spur aufnehmen kann. Am Moch Cadair, Vater. An jenem Ort, wo Arpad einst kämpfte. Denn mein Gegner schleuderte mir seinen Hass entgegen, während wir miteinander rangen. In meinem Geist hallen heute noch seine Worte... »Cemrodh wird gerächt, durch die Macht Cor Cosh's«. Vater, du weißt was das bedeutet... unsere Geschichte hat uns eingeholt. Wir müssen handeln!"
Arkan erstarrte, als diese Namen genannt wurden. Nur zu gut wusste er um die Geschichte vom Verrat Cemrodh's [1]... und auch die Nennung von Cor Cosh trieb ihm kalte Schauer über den Rücken. Cor Cosh, die Verlorene... die achte Stadt im Hügelreich, nie gefunden... und der Überlieferung nach ein Hort des Bösen. Bleich stürzte er aus dem Zimmer, auf der Suche nach Lorendas.
***
Als Arkan einen Trupp Fianna zusammengerufen hatte und aufbrechen wollte, bemerkte er seinen Sohn Feach, der mitten unter seinen Männern stand. Noch bleich, aber er stand aufrecht, ohne ein Zeichen von Schwäche. Nur seine Augen verrieten, was es ihn an Kraft kostete diese Illusion aufrecht zu erhalten.
"Feach, mein Sohn, meinst du wirklich, du solltest..."
"Ja, Vater. Ich war da und weiß wonach ich suchen muss. Wir können es uns nicht leisten einen Hinweis zu übersehen. Ich schaffe das schon, etwas anderes bleibt uns gar nicht übrig. Oder weißt du so genau, wonach wir suchen?"
Arkan wollte zu einer Antwort ansetzen, protestieren, aber Feach setzte ein etwas verzerrtes Grinsen auf und befahl den Abmarsch.
***
Einer der schnellen Jagd-awyren [2] der Fianna brachte sie in die Nähe ihres Zieles, und schon nach kurzem Fußmarsch über die Flanke des Moch Cadair standen sie vor dem Eingang zu jener Halle, in der damals Cemrodh, der Bruder des Arpad, seine Pläne geschmiedet hatte. Sie war gründlich untersucht worden, ohne dass jedoch etwas gefunden worden wäre. Als sie nähertraten sahen sie etwas, das sie erstarren ließ. Auf dem Thron des Cemrodh saß eine Gestalt, gekleidet in nachtblaues Tuch, das sie von Kopf bis Fuß bedeckte. Als Feach sein Schwert zog drehte sich der von einer weiten Kapuze verborgene Kopf zu ihnen. Ein Gesicht war nicht zu erkennen, es verschwand in den Schatten der Kapuze.
"Ah, da ist ja die Brut des Verräters. Leider nicht vollzählig, aber den Rest werde ich mir dann halt später holen. Aber was ist das... ein Schwert? Glaubst du Welpe wirklich, dass es dich schützen wird? Nun denn, versuche es ruhig. Versage so wie dein Vorfahr versagte."
Mit einer gleitenden Bewegung erhob sich die Gestalt und deutete mit dem rechten Arm auf einen der Fianna.
"Ich fürchte, mit dir werde ich beginnen. Leb wohl, Lakai des falschen Prinzen!"
Er sprach ein paar Worte in einer Sprache, welche die Grundfeste der Seelen der Tuach na Moch zu erschüttern schien, dabei glomm es um seine behandschuhte Hand grünlich auf... und der Fianna verschwand in einem gleißenden Blitz, ohne eine Spur zu hinterlassen. Sichtlich erschüttert drängten die Krieger sich an Arkan vorbei und begannen mit dem Angriff, Feach mitten unter ihnen. Die Gestalt in der Kutte verfiel in einen Singsang in jener martialischen Sprache, woraufhin sich das Glühen um seine Hand noch verstärkte.
Hieb auf Hieb prasselte von den Sichelklingen der Fianna auf ihren Gegner ein, doch der wehrte sie mit einem Arm ab und versuchte im Gegenzug, sie mit der glühenden Hand zu berühren. Kein Blut floss durch die wuchtigen Streiche der Klingen, kein Fleisch wurde durch das Orichalkum geteilt. Es war fast, als kämpften sie gegen einen Schemen, doch ihr Gegner war nicht körperlos. Jeder Fianna, der von ihm berührt wurde verschwand in einem Lichtblitz, bis schließlich einer von ihnen die Sichelklinge von sich warf und sich auf den Kuttenträger stürzte, um ihn zu Fall zu bringen. Ein Donnerschlag fuhr durch die Kämpfenden, ein grelles Licht nahm ihnen die Sicht... und dann war Ruhe.
Die geheimnisvolle Gestalt lag am Boden, der Fianna ebenso, ohne Besinnung.
Feach nutzte seine Klinge um die Kapuze vom Gesicht des Fremden zurückzuziehen und zerbiss einen Fluch zwischen den Zähnen, als es ihm gelungen war. Ein blanker Schädel grinste ihm entgegen, rollte über den Boden davon. Schnell zerschnitt er die Kutte, öffnete sie... doch auch hier kamen nur fahle Knochen zum Vorschein. Leblos, auch ohne die Magie, die noch vor Kurzem einige seiner Fianna getroffen hatte.
Verwirrt sah er seinen Vater an, doch auch Arkan hatte keine Erklärung.
Da glühten die Augenhöhlen des Schädels grünlich auf, und die Kiefer öffneten sich.
"Die Brut des falschen Prinzen spielt mit Puppen. Wie wird sie sich nur gegen einen wirklichen Gegner machen? Sucht uns... findet uns. Damit die Rache vollendet wird."
Mit einem scheppernden Gelächter verblasste das Glühen, der Schädel wurde wieder leblos. Nur auf der Stirn prangte das Wappen von Cor Cosh, eingebrannt in den Knochen.
***
Unverzüglich machten die Fianna sich daran, die Umgebung genauer zu untersuchen. Feach fand ihn schließlich in den Überresten der Gestalt. Es war ein Amulett aus Eisen, dass ursprünglich um den Hals gehangen hatte. Mit seinen festen Handschuhen nahm er es auf und betrachtete es genauer. Es war keine Arbeit eines Tuach na Moch, was aber schon das verwendete Material nahegelegt hatte. Ein Artefakt aus der Oberwelt also... und tödlich noch dazu. Als er sich zu Arkan umwandte, bemerkte er, dass der Eingang mit einem blau schimmernden Energievorhang versperrt war. Sie waren gefangen.
Einer der Fianna rief Arkan und Feach heran, er hatte seltsame Zeichen an einer Wand entdeckt. Sie ähnelten nichts, was sie jemals gesehen hatten, aber das Amulett reagierte, als Feach näher kam. Wie bei magnetischen Phänomenen schwang das Amulett näher zu den Zeichen, begann leicht zu glühen, wurde dabei aber nicht warm. Feach und Arkan wechselten einen Blick, dann führte Feach das Amulett dichter an die Wand. Auch die Zeichen begannen nun zu glühen, während zwischen ihnen etwas wie ein Nebel entstand.
Von dem fast vergessenen Schädel erklang wieder die Stimme.
"Habt ihr es geschafft, den Hinweisschildern zu folgen? Nun denn, seht nach was ihr gefunden habt. Arpads Brut ist doch immer so neugierig gewesen, viel neugieriger als gut für sie war."
Feach bedeutete einem der Fianna mit einer Kopfbewegung, den Schädel aufzunehmen und zu ihm zu bringen. Doch als dieser den Knochen berührte gab es einen Lichtblitz und der Schädel zerfiel vor ihren Augen.
"Gut, das funktioniert nicht. Aber das hier scheint ein Tor zu sein. Zwei Mann gehen vor, dann folgt der Rest. Ich gehe zuletzt, falls sich das Tor schließen sollte wenn man mit dem Amulett hindurchgeht. Seid wachsam, Leute."
***
Als sie durch den Nebel traten empfing sie Dunkelheit. Eine Welt ohne die wärmenden Strahlen einer Sonne, nur schwach erhellt von glühenden Kristallen. Sie befanden sich in einer Höhle, mit gleichmäßig behauenen Wänden, in denen in regelmäßigen Abständen die Leuchtkristalle angebracht waren. Schatten regierten an diesem Ort, das diffuse Licht dämmerte nur vor sich hin, konnte die allgegenwärtigen Zonen der Finsternis nicht durchdringen. Etwas knirschte unter ihren Stiefeln, ein Blick zum Boden zeigte ihnen unglaubliche Mengen an Gebeinen, die verstreut herumlagen. Diese Sorglosigkeit und die damit verbundene Grausamkeit ließ ihnen Schauer über den Rücken laufen, denn die Höhle wirkte nicht verlassen. Frische Bruchstellen in den Knochen bewiesen ihnen, dass es durchaus Besucher gab. Vorsichtig, sich mit jedem Schritt vortastend, bewegten sie sich weiter in die Höhle hinein, dem gegenüberliegenden Ausgang entgegen.
Nach kurzer Zeit gab ihnen der vorausgehende Fianna ein Zeichen - jemand näherte sich. Sie drückten sich in den Schatten der Nischen, auch wenn diese nicht sehr tief waren. Es war die einzige Deckung, die ihnen zur Verfügung stand. Nervös warteten sie ab, bis ein Schatten aus dem Gang vor ihnen fiel. Als die Gestalt sich näherte, konnten sie sehen womit sie es zu tun hatten. Eine gebeugte Gestalt in einem blutroten Kapuzengewand, das sie ganz verhüllte. Die Hand, welche den Griff des Schwertes klauengleich umklammerte, war mit schmutzigen Bändern umwickelt, auch hier war die Gestalt vollständig bedeckt. Ein seltsames Geräusch ging von ihr aus, wie ein keuchendes Schnüffeln. Feach gab seinen Leuten Zeichen, und als die Gestalt an ihnen vorbei geschlurft war, griffen sie zu, überwältigten sie ohne dabei mehr Geräusche zu machen als das Knacken der Gebeine unter ihren Füßen. Dann zogen sie sich mit ihrem Gefangenen wieder zurück, nur einen Posten ließen sie dort, um sie zu warnen. Vorsichtig machten sie sich daran, zu ergründen was sie da für ein Wesen ergriffen hatten. Doch was sie zu sehen bekamen erschütterte und entsetzte sie.
Die Haut des Wesens war bleich, pockennarbig und mit nässenden Wunden übersät. Die Haare waren schütter und strähnig, der Körper ausgezehrt und schwach. Die Zähne aber waren spitz, die Nägel lang und scharf. Doch das, was ihnen am meisten zusetzte, das waren die Ohren. Sie ragten spitz unter den wenigen Haaren hervor, genau wie ihre. Sie hatten die Bewohner von Cor Cosh gefunden, der Verlorenen Stadt des Hügelreiches.
Fußnoten
[1] Nachzulesen in der Trilogie "Die Suche nach dem Regenbogen" von E. Schramm, Zeitsprung 2 bis 4
[2] awyren = Eines der fliegenden Schiffe im Hügelreich, näheres steht in der Enzy.
Ende Teil 3