Mein kleines Pony

Oder
Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul

 

Diese Geschichte schließt an Holzis Geschichte "3001 Pferde" (erschienen im FOLLOW 372) an, und spielt noch vor der Geschichte "Der See" von Britta (erschienen im "Steinkreis 195").

Tief in Gedanken versunken lehnte Fiacha am Gatter des Weidezaunes. In ihrem Mundwinkel hing ein Grashalm, dessen Ende sie langsam zerkaute, und ihre blauen Augen waren auf eine schwarze Stute mit langer, leicht gewellter Mähne gerichtet. Das Tier hatte den Kopf gesenkt und mit seinem zarten Maul zog es sich Grashalme vom Boden, welche es mit hastigen Kaubewegungen zermalte.
Die junge Mocha neigte den Kopf ein wenig zur Seite, während sie das herrliche Pferd auf der Weide betrachtete. Eigentlich war es eher ein Pony, - ein Pony aus der Oberwelt, welches Fiachas Schwager, Jethro Cunack, ihr geschenkt hatte, aber für Fiacha, welche sehr klein und zierlich war, war dieses Pony, was seine größe anging, schon ein hochgewachsenes Pferd.
Sie erinnerte sich lebhaft an den Tag, als Jethro ihr das Pferd geschenkt hatte. Es war der Tag, an dem der Magier 3000 Pferde durch ein Hügeltor ins Hügelreich gebracht und durch Cor Dhai gejagt hatte, um die Pferde schließlich durch ein anderes magisches Tor wieder in die Oberwelt zu entlassen. Fiacha erinnerte sich an das Hufgedonner und Getrappel, das die Hauptstadt des Hügelreiches erschüttert hatte. Jethro hatte zum Glück vorher dafür Sorge getragen, dass niemand auf den Straßen war, während die Herde von eigenartigen Hunden durch Cor Dhai gejagt wurde.
Fiacha erinnerte sich auch an den schockierten Gesichtsausdruck Arkans. Ihr Gatte, der Hügelprinz, hatte von dieser Aktion natürlich nichts gewußt. So war es halt immer bei diesen beiden Halbbrüdern, Jethro und Arkan: Sie foppten sich gerne gegenseitig und waren immer für Überraschungen zu haben.
Nachdem der erste Schock überwunden war, hatte Arkan e'dhelcú zu toben angefangen. Jethro hatte - überflüssigerweise natürlich - die Pferde durch den Garten des Kristallpalastes geschickt, und sämtliche Pflanzen, Teiche, Rasen, Büsche und kleine Bäumchen waren von den Hufen der Ponys platt gedrückt oder gar zerstört. Auch Fiacha war das Herz beim Anblick des zerstörten Gartens beinahe gebrochen. Aber nur beinahe, - denn Jethro hatte ihr eines der Ponys zum Geschenk gemacht.
Sie hatte versucht Arkan zu trösten, aber seine Wut wandelte sich in tiefste Verzweiflung.
"Schau dir das an, Fiacha! Sieh nur! Alles zerstört. Alles...."
Tröstend hatte sie ihre Hand auf Arkans Arm gelegt, als sie beide vom Balkon des Palastes aus auf den Garten hinab schauten.
"Das wächst alles wieder, Arkan! Ganz bestimmt. Und es dauert auch bestimmt nicht lange, und der Garten sieht wieder wie neu aus."
Eine Träne war auf Arkans Wange aufgetaucht.
"Mein schöner Garten! Weißt du eigentlich, wie alt dieser Garten ist? Kannst du überhaupt ermessen, wie viel Arbeit da drin steckte?"
Die Mocha kaute beunruhigt auf ihrer Unterlippe, bevor sie schließlich sagte:
"Arkan, nun beruhige dich doch. Denk doch nur an die Möglichkeiten, die diese Zerstörung des Gartens für dich nun bietet. Du kannst einen vollkommen neuen Garten gestalten!" Sie hatte Begeisterung in ihre Stimme gelegt. "Ganz neue Pflanzen, eine ganz neue Architektur. Und sieh mal, - den Statuen ist ja nichts passiert. Sie sind alle noch intakt! Warum sich nicht mal an etwas Neues herantrauen, Arkan? Trauere den alten Erinnerungen nicht länger nach, blicke in die Zukunft... ."
Sie stockte, als sie Arkans ungläubigen Blick ob ihrer Worte auf sich ruhen sah, und zuckte schließlich resigniert mit den Schultern.
"Wenn du mich fragst, " fuhr sie fort, "war eine Neugestaltung des Gartens sowieso schon lange überfällig. Auch die Statuen könnten mal wieder einen neuen Anstrich gebrauchen."
Mit diesen Worten hatte sie den Balkon verlassen, Arkans bohrenden Blick in ihrem Rücken deutlich spürend.

Fiacha seufzte, als sie ihr Gewicht am Zaun verlagerte, und warf den angekauten Grashalm zu Boden.
Sie wußte, daß sie Arkan mit diesem Seitenhieb durchaus wehgetan hatte. Doch sie war es so satt gewesen, daß er ständig über die Vergangenheit sprach, von Leuten, die sie nie kennengelernt hatte oder kennenlernen würde, ihr Geschichten von früher erzählte, anstatt mit ihr Pläne für die Zukunft zu schmieden, - Pläne für sich, für sie und für den kleinen Æolas, ihren gemeinsamen Sohn. Sie hatte hernach beschlossen, Cor Dhai für eine Weile zu verlassen und nach Cor Finias, ihrer Stadt, zu gehen. Sie brauchte ein wenig Distanz von der Hauptstadt, von dem Trubel im Palast, - und von Arkan und seinen ständigen Festen und Trinkgelagen.
So hatte sie dafür gesorgt, dass der kleine Æolas und das Pony nach Cor Finias gebracht wurden. Hier konnte sie die Ruhe und Entspannung finden, die sie in der letzten Zeit in Cor Dhai nicht fand. Sie war in einem kleinen Dorf in der Nähe von Cor Finias aufgewachsen, und der Trubel der Hauptstadt wirkte oft erdrückend auf ihre Seele. Sie brauchte die Ruhe der Natur um sich herum, die langen Spaziergänge, und das Alleinsein. Und sie brauchte die Zeit für sich und ihren kleinen Sohn. Und für das neue Pony.

>Schon der Transport des Ponys nach Cor Finias war beschwerlich gewesen. Es mit einem Schwebenden Schiff zu transportieren stand ausser Frage, ebenso auf einem Boot auf dem Sereg Ran. Fiacha entschloss sich daher für ein Zeittor. Das Pony jedoch war wild und ungezähmt, und jeglicher Annäherungsversuch seitens der Stallburschen lief darauf hinaus, daß die Stute die Flucht ergriff. Fiacha brauchte eine Weile, bis es ihr endlich gelang, das Tier zu halftern. Es schien sich in ihrer Nähe einigermaßen zu beruhigen, doch es war ängstlich, - und Fiacha spürte die aufkeimende Panik des Pferdes sehr deutlich, als sie sich dem magischen Tor näherten. Immer wieder sprach sie beruhigend auf das Pony ein und streichelte sanft seinen Hals, doch es steigerte sich in seine Panik hinein.
Daraufhin gab Fiacha den Stallburschen die Anweisung ein langes Seil zu nehmen und sich hinter sie und das Pferd zu stellen. Sie führte die Stute zum Tor, während die Burschen mit dem gespannten langen Seil hinter ihnen her gingen. Nervös tänzelte das schwarze Pony hin und her und warf immer wieder den Kopf hoch, die Augen weit aufgerissen. Die Stallburschen achteten darauf, daß sie genügend Abstand hielten, damit sie nicht von möglicher-weise ausschlagenden Hufen getroffen würden, während Fiacha das Tier fest am Halfter nahm. Selbst, wenn die Stute immer wieder stehen blieb, als Fiacha versuchte sie weiter in Richtung des Tores zu führen, so sorgte das Seil dafür, daß sie weiterging.
Fiacha konzentrierte sich auf das Pony, um seine Panik einzudämmen, und schließlich gelang es ihnen, das Tor zu durchqueren.
In Cor Finias hatte man in aller Eile eine Weide in der Nähe des Palastes eingezäunt. Einen Stall gab es noch nicht, der mußte erst noch errichtet werden, aber Fiacha glaubte, daß ihr neues Pony rauheres Klima gewöhnt war als das im Hügelreich, denn sein Fell war dicht und struppig. So legte man Stroh unter einen Baum, stellte Wasser hin und ließ das Tier erst einmal eine Weile in Ruhe.

Die schwarze Stute hielt beim Grasen inne und hob den Kopf, als wolle sie Witterung aufnehmen. Dann sah sie Fiacha mit ihren dunklen, großen Augen direkt an. Die Mocha lächelte zaghaft und ein eigenartiges Gefühl überkam sie. Zunächst konnte sie es nicht beschreiben, sie wusste nur, daß ihr dieses Gefühl bekannt war. Dann fiel es ihr wieder ein: Dieses Gefühl kannte sie von ihrer Schwangerschaft her!
Fiacha konzentrierte sich auf das Tier, das langsam und zögernd nun auf den Weidezaun zukam, an dem die junge Frau stand. Dieses "Hineinfühlen" in Tiere hatte Fiacha als Kind viel praktiziert, nachdem sie dieses Talent an sich beobachtet hatte. Seit sie in Cor Dhai lebte, hatte sie diese Fähigkeit nur noch selten auf ihren Exkursionen in die Wälder angewandt. Doch sie stellte mit Erleichterung fest, daß es ihr immer noch schnell und behutsam gelang.
Ja, - diese Stute war trächtig! Das konnte die junge Mocha nun sehr deutlich spüren.
"Hallo, kleine Mutter," flüsterte sie sanft der Stute zu, welche nun am Weidezaun stand. Vorsichtig streichelte Fiacha die Nüstern, und das Pony begann spielerisch an ihren Händen zu lecken.

Ihr Herz schlug wild vor Aufregung, als sie den Stallburschen von ihrer Beobachtung berichtete.
"Ihr müßt dafür sorgen, daß sie einen Stall bekommt, und daß es ihr an nichts fehlt," befahl sie ihnen. "Untersucht das Heu und Stroh, bevor ihr es ihr gebt, auf Ungeziefer und Schimmel."
Die beiden Stallburschen nickten und liefen sofort los, um einen Zimmermann zu suchen, der so schnell wie möglich einen Stall für das Pony bauen sollte.
Und auch später noch, als Fiacha ihren kleinen Sohn auf ihrem Schoß schaukelte, erzählte sie ihm freudig erregt, daß das schwarze Pony bald Mutter werden würde, und daß es dann bald ein kleines Fohlen geben würde. Ein Fohlen, das - so nahm sie sich vor - sie ihrem kleinen Sohn einmal schenken würde, wenn er einmal alt genug war, um das Reiten zu erlernen. Æolas nahm diese Nachricht seiner Mutter mit gelassenem Gebrabbel auf, während er danach trachtete an Fiachas Haaren zu ziehen.

Fiacha ließ Chat Bidu, die Druidin aus der Oberwelt, zu sich nach Cor Finias kommen.
Als die silberhaarige, thuathische Frau das Gemach der Gattin des Hügelprinzen betrat, saß Fiacha auf dem Boden, wo sie sich gerade mit Æolas beschäftigte. Der Raum glich einem Schlachtfeld und Clarisse, Fiachas Zofe, hatte alle Hände voll zu tun, um der Unordnung Herrin zu werden. Ganz besonders, da das Kind mit lautem Krakelen und Gelächter sein Spielzeug wegwarf und beobachtete, wie die junge Wechselbalg-Frau sich danach bückte, um es ihm wiederzubringen.
"Du läßt dich leicht tyrannisieren, Clarisse," lachte Fiacha.
"Aber Herrin," antwortete die athrú páistach, "seht doch nur, wie es hier aussieht!"
Lächelnd erwiderte die Mocha. "Lass es doch liegen. Du kannst nachher noch aufräumen, wenn Æolas schläft."
In diesem Moment bemerkte Clarisse die Druidin. Sie machte artig einen Knicks und verließ eiligst das Gemach ihrer Herrin.
"Verehrte Chat Bidu!" rief Fiacha freudig aus und stand auf, um auf sie zuzugehen. "Ich freue mich, daß Ihr meinem Ruf nach Euch nachgekommen seid. Bitte," sie wies mit einer Hand auf einen Stuhl, während sie selbst auf dem Bett Platz nahm, "so setzt Euch doch! Wie war Eure Reise?"
Mit einem prüfenden Blick auf den Jungen, stieg Chat über das Spielzeug hinweg, um sich auf den ihr zugewiesenen Stuhl zu setzen. Æolas streckte plappernd seine kleinen Arme nach der Druidin aus, welche seine Anstrengungen jedoch völlig ignorierte und sich stattdessen Fiacha zuwandte.
"Danke, die Reise war angenehm," beantwortete sie knapp die ihr gestellte Frage. Ihre melodische Stimme schien einen beruhigenden Zauber im Raum zu verteilen.
"Seid Ihr mit dem Schiff, dem Awyren oder durch ein Tor gereist?"
"Dem Schiff!"
Æolas Geplapper wurde lauter und fordernder, und er wedelte ungeduldig mit den Armen. Fiacha stand vom Bett auf, nahm ihren Sohn auf den Arm und setzte ihn mit einem Lächeln der überraschten Druidin auf den Schoß. Danach ging sie zum Bett zurück.
"Ah, deshalb hat es so lange gedauert," sagte sie freundlich, aber nicht ohne Spott in der Stimme. "Ich hatte Euch nämlich früher erwartet."
Chat hatte einige Mühe das Kind zu halten, denn Æolas rutschte und wippte unruhig plappernd auf ihrem Schoß herum. Schließlich gab sie ihm durch einen strengen Blick zu verstehen, daß sie dieses Gewippe und Gerutsche nicht länger dulden würde. Der Kleine schaute sie mit großen Augen an, lächelte kurz und kuschelte sich, einen Daumen in den Mund nehmend, an die Druidin an. Wieder war Chat sichtlich bemüht, diese Sympathiebekundung durch Æolas zu ignorieren, indem sie ihm einfach keines weiteren Blickes mehr würdigte. Sie sah Fiacha an.
"Es tut mir leid, Hoheit, daß ich Euch habe warten lassen."
Fiacha hatte den Eindruck, daß diese Frau sich bisher nicht oft in ihrem Leben entschuldigt hatte. Sie brachte diese Worte hörbar zögerlich über die Lippen.
Die junge Mocha setzte ihr gewinnendes Lächeln auf.
"Das macht ja nichts. Ihr seid ja noch rechtzeitig angekommen!"
"Rechtzeitig für was?" hakte Chat unbeeindruckt nach.
"Rechtzeitig, um mir zu helfen, ein Fohlen auf die Welt zu bringen!"
Die Druidin war offensichtlich um Beherrschung bemüht, denn sie blickte die junge Hügelvolk-Frau kühl und distanziert an, bevor sie langsam und betont die Frage stellte: "Wie bitte?"
"Ja!" rief Fiacha aus und klatschte begeistert in die Hände. "Stellt Euch nur vor, Chat, - die Stute, die ich von Jethro bekam, ist trächtig!"
Der kleine Æolas kicherte und klatschte, von der Freude seiner jungen Mutter angespornt, ebenfalls begeistert in die Hände. Der kurze eisige Blick der Druidin ließ ihn jedoch verblüfft innehalten.
"Und was habe ich damit zu tun, Fiacha?" fragte Chat Bidu.
"Nun, Ihr ward dabei, als Æolas zur Welt kam, Chat. Ihr seid erfahren in solchen Dingen. Und ich möchte, daß die Geburt glatt verläuft. Und ich möchte sicher gehen, daß es dem Fohlen und der Stute während der Trächtigkeit gut geht. Ihr kennt Euch doch mit sowas aus!"
Das Erstaunen wich langsam aus Chat Bidus Gesichtszügen. Stattdessen kniff sie ihre Augenbrauen zusammen, und ihre grau-grünen Augen wurden zu kleinen funkelnden Schlitzen.
"Nein, Fiacha, ich kenne mich mit Pferden überhaupt nicht aus."
Die Druidin stand auf und setzte Æolas fasst beiläufig wirkend auf ein Fell auf dem Boden ab, wo dieser sich sofort einem seiner unzähligen Spielzeuge zuwandte.
"Aber...," wollte Fiacha einwenden.
"Nein, Fiacha! Ich kenne mich nicht mit Pferden aus. Ich habe sogar sehr großen Respekt vor ihnen. Ich kann Euch da nicht helfen. Und nun gestattet, daß ich nach Cor Dhai zurück reise. Ich habe, hmmm, andere Dinge zu tun!" Brüsk wandte sie sich ab und wollte gehen, doch die Mocha rief: "Halt!"
Wütend wandte sich Chat Bidu der Gattin des Hügelprinzen wieder zu.
"Was?"
Mit großen Augen blickte Fiacha die Druidin bittend an.
"Bitte wartet doch!"
Chat atmete einmal tief durch, bevor sie mit leiser, aber eindringlicher Stimme sagte:
"Herrin, Ihr habt hier die falsche Person gefragt. Ich kenne mich mit diesen Tieren nicht aus. Ich kann Euch da nicht helfen."
Fiachas blauen Augen wurden noch größer, als sie antwortete: "Nicht mit Pferden, das ist wahr! Aber mit Ziegen kennt Ihr Euch doch aus. Und das kann doch soviel schwerer nicht sein, oder?"
Sie lächelte Chat bittend an, doch als sie das verdutzte Gesicht der Druidin sah, konnte sie ein Lachen nicht mehr unterdrücken.
"Aber .... , " stammelte Chat Bidu. "Aber woher wißt Ihr.... ? "
Fiacha klopfte einladend mit einer Hand auf das Bett, auf dem sie saß.
"Bitte, Chat, setzt Euch zu mir. Ich erkläre es Euch gerne."
Die Druidin zögerte etwas, setzte sich aber schließlich neben Fiacha. Ihre Schultern versteiften sich spürbar, als Fiacha ihr sorglos, wie einer vertrauten Freundin den Arm um die Schultern legte.
"Verzeiht, nie würde ich es wagen Euch zu nahe zu treten, aber ich kann die Erinnerung mancher Personen sehen, Chat, " erklärte Fiacha. "Und in Eurer Erinnerung sehe ich Ziegen und ein kleines Mädchen, das sie hütet. Und dieses Mädchen sieht sehr, sehr glücklich aus."
Die Oberweltlerin drehte den Kopf zur Seite und sah mit forschendem Blick der kleinen Hügelfrau direkt in die Augen, als ob sie dort das Geheimnis dieser Fähigkeiten erkennen und analysieren könnte. Was immer hier nun geschah, Chat hatte zunächst den Drang wegzulaufen, - ganz weit fort. Und doch, - die kleine Frau neben ihr gab ihr ein Gefühl, das sie schon lange nicht mehr gespürt hatte.
Plötzlich seufzte die Druidin, und sie schaute auf ihre Hände. Doch ihre Schultern lockerten sich ein wenig.
"Ja, das kann schon so gewesen sein," sagte sie leise. "Und es ist richtig, ich habe früher Ziegen gehütet."
"Und Ihr wart auch bei der Geburt der Lämmer dabei, nicht wahr?" fragte Fiacha.
Wieder trafen sich ihre Blicke, - die Augen der Druidin sahen mit einem mal müde aus, und um ihre Mundwinkel formte sich, kaum merklich, ein sich ergebendes Lächeln.
"Ja, auch das ist richtig. Aber Hoheit, um noch mal…"
"Erzählt mir davon, Chat!" forderte Fiacha sie auf. Sie nahm Æolas auf ihren Schoß, wog ihn sanft hin und her und wartete, daß die Druidin mit ihrer Erzählung beginnen würde.
Erwartungsvoll sah Chat sie an.
"Da gibt es nicht viel zu erzählen, Hoheit! Meine Eltern waren wandernde Leute, deren einziger Reichtum aus der Ziegenherde und ihrem Wagen bestand. Fertig!"
Ungläubig starrte Fiacha die kleine Druidin an. Als diese aber auch nach einer längeren Pause keinerlei Anstalten machte mit ihrer Erzählung fortzufahren, musste sie lachen.
" Wahrhaftig, das ist wirklich nicht viel, was Ihr mir zu berichten wisst."
Chat Bidu senkte ihren Blick und starrte auf die schweren Dielen zu ihren Füßen, als seien dort geheime Botschaften eingeritzt, die sie nur schwer entziffern konnte.
Die Stille im Raum wurde zu einem spürbaren Gewicht auf Fiachas Schultern.
Schließlich stand die Druidin auf und ging zum Fenster. Lange stand sie wortlos, Fiacha den Rücken zugekehrt, da und verriet mit ihrer ganzen Haltung, dass es weitaus mehr bedurfte als ein Befehl, um sie in Cor Finias zu halten.
Ein tiefer Seufzer kam über Fiachas Lippen.
"Es wäre schön, Chat Bidu, wenn Ihr hier in Cor Finias bleiben würdet," sagte sie schließlich, während sie dem schlafenden Æolas den Daumen sachte aus dem Mund zog.
"Ich denke, daß ein Pony nicht viel schwieriger sein dürfte als eine Ziege."
"Aber Hoheit," entgegnete Chat leise und wandte sich nach Fiacha um, "Ihr habt doch sicherlich Leute, die sich besser mit Pferden und Ponys auskennen. Warum fragt Ihr nicht sie?"
Die Hügelfrau schwieg eine kurze Zeit, als ob sie ihre Worte genau abwägen wollte. Dann sah sie die Druidin direkt an, und ihre Augen schienen das Gesicht Chat Bidus zu studieren. Kurz bevor Chat den Blick von ihr abwenden wollte, antwortete Fiacha: "Weil ich EUCH hier haben möchte. Und nicht irgendjemanden!"
Zum ersten male sah die Mocha für einen kurzen Moment pure Verblüffung in dem Gesicht der Druidin. Und für eben diesen kurzen Moment konnte Fiacha die Wärme in den Augen der Thuatha wieder erkennen, die ihr bei der Niederkunft ihres Sohnes so viel Kraft und Vertrauen geschenkt hatte.

Es dauerte nicht lange, und der Bauch der Ponystute wölbte sich. Chat Bidu und Fiacha verbrachten beinahe jeden Tag einige Zeit an der Weide. Fiacha hielt die Stute fest und beruhigte sie, während die Druidin vorsichtig den Bauch des Tieres abtastete.
Jedes Mal erhob sie sich von der Untersuchung und sagte: "Ihr macht Euch viel zu viele Sorgen. Es geht ihr und dem Fohlen gut, Fiacha!"
Und Fiacha antwortete jedesmal lächelnd: "Das wollte ich nur wissen."
Anschließend unternahmen sie ausgedehnte Spaziergänge, mal mit und mal ohne Æolas, oder sie spielte mit dem Kleinen, während die Druidin wilde Kräuter und Blumen studierte. Chat zeigte, wenn sie sich von der Hügel-prinzessin unbeobachtet fühlte, dem Jungen Spiele, die sie aus ihrer Kindheit in Tir Bolghainn kannte, während Fiacha die beiden heimlich mit einem Lächeln beobachtete. Manchmal saßen die beiden Frauen auch nur im Garten und widmeten sich ihren Büchern. Ab und zu ließ sich Chat Schreibzeug bringen und sie verfasste mit konzentriertem Gesichtsausdruck, Briefe oder andere Texte. Obwohl Fiacha vor Neugierde darauf brannte zu erfahren, an wen diese Briefe gerichtet waren, so wagte sie nie zu fragen.
Sie selbst befaßte sich in der Zwischenzeit mit der Politik ihrer eigenen Stadt, - obwohl, wie sie feststellte, es da nicht wirklich viel zu tun gab. Cor Finias war im Gegensatz zur Hauptstadt des Hügelreiches Cor Dhai eher etwas provinziell, und inzwischen hatte die Gattin des Hügelprinzen genügend Erfahrungen gesammelt, um mit der Politik Cor Finias' leicht klar zu kommen. Die Leute hier waren für sie durchschaubar geworden.

Eines Morgens, als die beiden Frauen wieder einmal das Pony, das Fiacha Mambach genannt hatte, was "kleine Mutter" bedeutete, untersuchten, geschah es, daß Chat Bidu in ihrem Tun ruckartig inne hielt und die Stirn runzelte. Gleichzeitig überkam Fiacha ein Gefühl der Bösartigkeit und des Hasses, - und ihr wurde mit einem Mal entsetzlich übel.
Sie ließ das Pony los und wandte sich ab, um tief Luft zu holten. Als das Tier bemerkte, daß es nicht mehr festgehalten wurde, machte es einen Satz nach vorne und galoppierte davon. Die Druidin, welche sich noch gerade rechtzeitig vor den Hufen des Pferdes retten konnte, sah die Hügelfrau besorgt an.
"Seid Ihr in Ordnung, Fiacha?" fragte sie.
Die Mocha schüttelte den Kopf.
"Ich weiß nicht, Chat!" krächzte sie. "Es ist....es ist....so eigenartig...."
Sie richtete sich auf, sog die frische Luft tief ein und sah zu dem Pony, welches in einiger Entfernung von den beiden Frauen mit zitternden Beinen und schweißüberstömt da stand und die Zähne bleckte.
Die Druidin legte eine Hand auf Fiachas Schulter.
"Wir sollten gehen!" sagte sie knapp in einem Tonfall, der keine Widerworte duldete, und führte die junge Mocha von der Weide weg.
Nachdem die Frauen die Wiese verlassen hatten, setzten sie sich außer Sichtweite des Pferdes auf einen Strohballen hinter dem Stall.
Wieder schüttelte Fiacha den Kopf.
"Ich weiß nicht, was es war," murmelte sie, "aber ich spürte etwas Böses von Mambach auskommend, und..." Sie suchte nach den richtigen Worten: "....und Blutdurst!"
Fiacha begann zu zittern.
Chat Bidu löste ihren Umhang und legte ihn der jungen Hügelfrau um die Schultern.
"Auch ich spürte etwas magisches," bestätigte sie Fiacha. "Dunkle und bösartige Magie!"
Dann schwieg sie und schien tief in Gedanken versunken.
Fiacha hatte das Gefühl, daß ihre Stimme piepsig klang, als sie fragte: "Was war das, Chat?"
"Ich weiß es nicht, Fiacha!" Und nach einer kurzen Pause, fügte die Druidin hinzu. "Noch nicht!"

Der Termin der Geburt des Fohlens rückte immer näher, und die beiden Frauen hatten den Vorfall schon beinahe vergessen.
Eines Nachts eilte einer der Stallburschen in den Palast, um Fiacha die Nachricht zu überbringen, daß die Stute dabei war zu fohlen. Hastig kleidete sich die junge Hügelfrau an und rannte in Richtung Stall, wo zu ihrem Erstaunen Chat Bidu bereits auf sie wartete.
Lächelnd nickte Fiacha der Druidin zu.
"Wie kann es sein, dass Ihr eher hier seid als ich, verehrte Chat Bidu? War mein Bote so langsam auf dem Weg zu mir?"
Die Augen der Druidin blitzten verschmitzt.
"Vergesst nicht Hoheit, im Gegensatz zu Euch habe ich noch recht junge Beine."
Irritiert sah Fiacha zu der Druidin, die sich mit einem leisen Lachen von ihr abwandte. Bei Moch, - das war tatsächlich ein Scherz, der da über die Lippen der Druidin gekommen war!
Fiacha wollte sich in die durch ein Gatter abgetrennte Ecke, wo die Stute auf Stroh gebettet lag, begeben, doch Chat hielt sie zurück.
"Laßt sie in Ruhe, Fiacha," flüsterte sie. "Sie macht das schon alleine. Wir sind nur hier, falls sie doch unserer Hilfe bedarf."
Die beiden Frauen traten leise an das Gatter heran. Fasziniert beobachteten sie wie eine milchigweiße Blase erschien, in der das Fohlen eingebettet war. Fiacha konnte deutlich die Preßwehen der Stute fühlen, blockte aber die unangenehmen Empfindungen ab. Endlich konnte man auch die Hufe der Vorderbeine sehen, und die Nabelschnur riß.
Nun öffnete Chat Bidu das Gatter und schob Fiacha sanft hinein. Während die Mocha behutsam und zärtlich die Nüstern der erschöpften Stute streichelte, nahm Chat Bidu Stroh und rieb das Fohlen kräftig damit ab.
Kurz nachdem die Stute schließlich aufgestanden war, begann auch das Fohlen mit seinen Stehversuchen. Erst noch wackelig, aber dann doch schnell immer kräftiger werdend, stand das Kleine nach etwa einer halben Stunde und wagte die ersten Schritte in Richtung seiner Mutter. Chat half dem Fohlen ein wenig bei der Suche nach dem Euter, und schließlich stand das junge Tier breitbeinig neben seiner Mutter und saugte gierig die Milch.
Glücklich stand Fiacha dicht neben der Druidin und ergriff ihre Hand.
"Ist das nicht schön?" flüsterte sie, ohne den Blick von der Stute und ihrem Fohlen zu nehmen.
Chat sah die Frau des Hügelprinzen von der Seite an, - und lächelte amüsiert in Richtung ihrer in Beschlag genommenen Hand.
"Es ist ein kleiner Hengst, Hoheit," flüsterte sie der Mocha zu.
Das Lächeln auf Fiachas Gesicht wurde zu einem breiten Grinsen.
"Ein schöner, kleiner Hengst! Ich werde ihn Marchw nennen."

Es war eine Freude, die Stute und das kleine Fohlen in den darauffolgenden Tagen auf der Weide zu beobachten. Marchw wurde zunehmend kräftiger und lebhafter und entfernte sich inzwischen schon einmal häufiger von seiner Mutter weg, um neugierig seine Umgebung zu erkunden.
Der Hengst war gerade zwei Wochen alt, da geschah das Grauenvolle!
Fiacha schlief und träumte schlecht. Bilder der Gewalt und des Todes sah sie in ihren Träumen, welche sie schweißgebadet aufwachen ließen. Noch benommen vernahm sie einen Schrei. Doch es war kein menschlicher Schrei, - sondern der eines gehetzten Tieres!
Marchw! Sein schrilles und panisches Wiehern ließ Fiacha aus dem Bett springen, und sie rannte barfüßig aus dem Palast in Richtung Weide.
Was sie dort sah, ließ ihr Herz für einen Moment still stehen:
Mit wehender Mähne und Schaum vor dem Maul jagte Mambach, die Zähne gebleckt, hinter ihrem Fohlen her. Marchw lief in Angst und Panik immer am Zaun entlang, um seiner Mutter, die immer wieder versuchte nach ihm zu schnappen, zu entkommen.
Sie wollte ihr Fohlen töten!
"NEIN!" schrie Fiacha und quetschte sich durch den Weidenzaun. Mit wedelnden Armen lief sie auf Mambach zu, welche jedoch von ihr keine Notiz nahm. Schließlich konnte die Mocha sich zwischen die Stute und das Fohlen bringen. Ihre Arme hoch erhoben, versuchte sie Mambach in eine Ecke zu scheuchen, doch das Pony blieb unerschrocken, mit funkelnden Augen und weit aufgerissenem Maul vor ihr stehen.
Wieder fühlte Fiacha den Haß und die Boshaftigkeit, welche das Tier ausstrahlte. Mambach schielte immer noch nach dem Fohlen, welches inzwischen zu Tode erschöpft hinter Fiacha auf der Weide lag.
Fiacha nahm gerade noch wahr, daß sich noch eine Person auf die Weide begab, aber da griff Mambach sie auch schon an. Die Stute stellte sich auf ihre Hinterbeine und versuchte nach der Hügelfrau zu treten. Fiacha konnte ihr gerade noch rechtzeitig ausweichen. Das Tier wandte ihr nun das Hinterteil zu und versuchte wieder nach ihr auszutreten, doch Fiacha wich ihr abermals aus und lief um die Stute herum.
Aus den Augenwinkeln sah sie eine dunkle Gestalt, welche sich über das Fohlen beugte, es behutsam auf die Arme nahm und schnell die Weide verließ, und sie atmete erleichtert auf. Marchw war nun sicher!
Doch Mambach schien nun erst recht in Rage zu geraten, denn sie galoppierte, das Maul weit aufgerissen, auf die Hügelfrau zu. Die schöne Stute war schweißüberströmt, ihre Augen weit aufgerissen, so dass man das Weiße erkennen konnte, und sie gab Laute von sich, die Fiacha noch nie von einem Pferd gehört hat. Es klang eher wie ein Knurren, als ein Schnauben.
Fiacha versuchte abzuschätzen, wie weit der Zaun entfernt war. Angst machte sich in ihr breit, nicht zuletzt durch die Gefühle, die sie aus Mambachs Richtung erhielt. Die Stute wollte sie umrennen und töten.
Wieder konnte sie dem Pony rechtzeitig ausweichen. Fiacha nutzte den kurzen Moment der Verwirrung des Tieres, das sich wieder nach ihr umdrehen mußte, und sprintete nun auf das Weidegatter zu.
Deutlich hörte sie die dröhnenden Hufe hinter sich, als sie auf das Gatter zurannte.
Mambach stieß ein lautes Wiehern aus, und wieder wurde Fiacha von einer Welle von Haß erfaßt, das sie durchdrang. Sie kam kurz ins Straucheln, fing sich wieder und sprang so schnell es ihr gelang über das Gatter, wo sie auf der anderen Seite hart auf dem Boden aufkam.
Sie sah, wie Mambach weiterhin auf das Gatter zugaloppierte und machte sich dicht am Zaun ganz klein. Denn wenn die Stute es wagen sollte über den Zaun zu springen, so wollte sie wenigstens außer Reichweite der Hufe sein.
Und tatsächlich: Mambach setzte zum Sprung an, - doch das Gatter war zu hoch für die kleine Stute, und sie prallte mit aller Wucht dagegen. Fiacha hörte das Holz zersplittern, schloß die Augen und warf ihre Arme über ihren Kopf, um sich vor dem grauenvollen Anblick, als auch vor möglichen Verletzungen zu schützen.
Als sie die Augen vorsichtig öffnete und den Kopf hob, sah sie Mambach auf der Weide liegen. Der schwarze, schweißgebadete Körper der Stute bebte und sie zuckte unkontrolliert mit den Beinen.
Fiacha stand langsam auf. Immer noch spürte sie Haßgefühle aus der Richtung der Stute kommend, nun aber gemischt mit Schmerz, - und Unverständnis.
Plötzlich spürte sie jemanden hinter sich stehen und drehte sich schnell um.
"Ich bin es," sagte die dunkle Gestalt mit sanfter Stimme.
"Oh, Chat Bidu!" rief Fiacha aus, warf sich der Druidin in die Arme und ließ ihren Tränen freien Lauf.
Die thuathische Druidin hielt die Mocha fest und streichelte ihr immer wieder beruhigend über das Haar.
"Was ist los?" schluchzte die Tuach na Moch. "Was ist mit Mambach los?"
"Sie ist verflucht, Hoheit!" antwortete Chat Bidu leise. "Ich kenne die Herkunft des Fluches nicht, - aber er ist mit Sicherheit die Ursache ihres bösartigen Blutrausches."
Fiacha richtete sich auf und schaute der Druidin ins Gesicht. Die grünen Augen waren ernst und besorgt auf die kleine Hügelfrau gerichtet.
"Und weil ich die Herkunft nicht kenne," fuhr sie fort, "kann ich ihr auch nicht helfen, Fiacha!" Sie schaute zur Ponystute hinüber, welche unverändert zitternd und zuckend auf der Weide lag, und in ihrem Blick lag Trauer und Mitleid. "Ich kann den Fluch nicht aufheben!"
Tränenüberströmt folgte Fiacha dem Blick der Druidin.
"Sie wird sterben!" sagte die Mocha mit dünner Stimme.
Und Chat Bidu nickte.
Wieder stiegen Fiacha die Tränen auf und kurz barg sie ihr Gesicht an der Schulter der Thuatha.
Sie richtete sich auf, blickte wieder die Druidin an und sagte leise, aber entschlossen: "Dann werde ich sie jetzt von ihrem Leid erlösen!"

Mit traurigem Blick verfolgte Chat Bidu wie Fiacha in den Palast ging, um kurze Zeit später mit einem großen, aber scharfen Messer zurückzukehren.
Vorsichtig und langsam öffnete die Hügelfrau das Gatter, schloß es wieder hinter sich zu und ging auf die schwarze Stute, deren Zittern und Beben schwächer geworden waren, zu.
Ein leiser rhythmischer Singsang holte die junge Mocha kurz aus ihren kummervollen Gedanken. Kurze, harte Worte von einer dunklen, sanften Frauenstimme gesungen, wehten mit der sanften Brise der Nacht über die Wiesen. Sie spürte, wie sich eine innere Ruhe ihrer bemächtigte, und erkannte an dem tiefen Seufzer des vor ihr liegenden Tieres, dass es offensichtlich auch dem Zauber dieser merkwürdigen Melodie erlag.
Einen kurzen Moment verharrte Fiacha vor dem Pony, - doch schließlich beugte sie sich über das Tier und machte einen gekonnten Kehlschnitt.
Chat Bidu beendete ihren Beschwörungsgesang und sah die junge Mocha über dem Pferd zusammenbrechen und hörte ihr leises Weinen.
Die Druidin wandte sich um und betrat den Stall, wo sie das Hengstfohlen in Sicherheit gebracht hatte. Auch Marchw zitterte am ganzen Körper, und Chat Bidu nahm sich eine im Stall liegende Pferdedecke und legte sie mit beruhigenden Worten über das veräng-stigte Tier. Dann suchte sie einen Eimer, füllte ihn mit Wasser und stellte diesen in die Nähe des armen Fohlens. Es würde wahrscheinlich noch sehr, sehr lange dauern, bis das Tier Wasser und Nahrung zu sich nehmen könnte. Die Druidin seufzte.
"Also gut, mein Kleiner, - das heißt, dass ich nach einer kurzen Nacht auch noch irgendwo eine Milchziege auftreiben muss. Da soll noch wer denken, dass ich hier im Hügelreich nicht gefordert werde. Und jetzt lausche, was ich dir singe…"

Eine Weile später betrat auch Fiacha den Stall. Ihre Augen vom Weinen gerötet und die Hände voller Blut, schaute sie traurig und mitleidig auf das tief und ruhig schlafende Fohlen herab. Dann wusch sie sich an der Tränkepumpe die Hände.
Chat Bidu empfand großes Mitleid mit der jungen Hügelfrau. Es war schon paradox: obwohl die Mocha hier im Totenreich lebte, der Umgang mit dem Tod, vor allem mit dem Tod eines geliebten Tieres, das schien für Fiacha eine ganz neue Erfahrung zu sein. Mit zusammengekniffenen Lippen wandte sich die kleine Frau der Druidin zu, doch bevor sie etwas sagen konnte, legte Chat Bidu zart ihren Zeigefinger auf ihre Lippen.
"Geht zu Bett, Hoheit," sagte sie sanft, während sie die Tränen von Fiacha wie bei einem Kind fortwischte.. "Ich bleibe bei Marchw. Und morgen früh suche ich eine Ziege oder eine Stute, die Eurem Fohlen als Amme dienen könnte. Ich bin sicher, er wird es schaffen."
"Ich danke Euch, Chat Bidu," flüsterte die Tuach na Moch und ihre tränenbenetzten Augen blickten die Druidin dankbar an. Sie drückte kurz noch ihre Hand, dann verließ sie den Stall.

In einer kleinen Kammer im Palast von Cor Finias lag ein blutbeschmierter Ponyschädel auf einem Regal, konserviert durch Zeitmagie. Sauber am Hals durchtrennt, waren noch die Blutflecke auf dem schwarzen Fell zu erkennen. Die schwarzen Augen der Stute, einst so voller Leben und wilder Energie, waren nun trübe und tot.
Diesen Schädel, so hatte sich Fiacha vorgenommen, würde sie im Kristallpalast in Cor Dhai in Jethros Gemach platzieren, wo er auf seinen nächsten Besuch warten würde.

 

Mein kleines Pony
Fiacha und Chat Bidu
Carolin und Britta Durchleuchter

 

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Stand:30.09.2010