Kapitel 1
Es war an einem durchschnittlichen Tag in Cor Dhai. Arkan war wieder mal mit den Nerven am Ende. Erst trachtete ihm dieser widerliche Feach MacLlyr nach dem Leben und hatte dann auch noch die Frechheit, diesen miesen Anschlag als "erfrischende Lockerungsübung mit dem Schwert, das zu lange vernachlässigt wurde" auszugeben. Um allem noch die Krone aufzusetzen, hatte dieser Quälgeist ihn, den Hügelprinzen, unter dem Vorwand "wichtiger Ratsgeschäfte" statt ins lockende Bettchen in diesen Saal gezerrt. Hier war er nun, umgeben von seinem Rat, der ihn mit "unheimlich wichtigen Dingen" langweilte. Und im Hintergrund, wie stets, die dunkle Präsenz von Feach MacLlyr, seinem Ersten Gardisten, Leibwächter und, wie Arkan hoffte, Freund. Doch, wie Arkan schon die ganze Zeit schimpfte, es aber nicht wirklich geglaubt hätte, sollte es einer von DIESEN Tagen werden, soweit man im Hügelreich von Tagen reden konnte.
Erst einmal schien sich jedoch eine gute Wendung des Tagesablaufs abzuzeichnen. Es klopfte an der Tür und die Wache meldete, daß Jethro Cunack den Hügelprinzen zu sehen wünsche. Hocherfreut nahm Arkan dies zum Anlaß, die Ratsversammlung zu unterbrechen und befahl der Wache, seinen Bruder hereinzulassen. Seufzend sah er, daß die Wache erst einen schnellen Seitenblick zu der dunklen Gestalt im Hintergrund warf, ehe sie den Befehl ausführte. Irgendwann, schwor sich Arkan, würde er mit Feach reden müssen. Er nahm diesen Leibwächterkram vielleicht doch etwas ZU ernst.
Aber tief in seinem Inneren glaubte Arkan nicht wirklich daran, daß dieses Gespräch etwas ändern würde. Er würde sich halt notgedrungen daran gewöhnen müssen...
Lächelnd betrat Jethro den Ratssaal und unterbrach damit Arkans Gedanken. Das Lächeln auf seinen Lippen wurde noch breiter, als er Feach beobachtete, der reflexartig in Jethros Weg treten wollte, sich dann jedoch erinnerte, wer vor ihm stand und wieder zur Reglosigkeit erstarrte.
"Mein Bruder, sei gegrüßt. Was gibt's Neues im Hügelreich, Arkan? Alles in Ordnung bei dir?"
Irgendwas störte Arkan an seinem Bruder, er wußte aber nicht genau, was das war. Ob es irgendwas mit diesem Stapel Papiere zu tun hatte, den Jethro bei sich trug? Egal, darum sollte sich der Rat gegebenenfalls kümmern. Wer sich mit Papieren beschäftigte, sie womöglich sogar las, war in seinen Augen ein Lappen. Aber höchst wahrscheinlich war es gar nichts wichtiges.
"Jethro, schön dich wieder mal zu sehen. Klar ist alles in Ordnung bei mir. Schau dir meinen Bauch an, dann solltest du wissen, daß es mir gut geht. Außerdem..."
Zufrieden sah Arkan, daß seine Worte Feachs dunkle Gestalt wie ein Fausthieb trafen. Seit sein Leibwächter angefangen hatte, ihm Unterricht in respektablen Umgangsformen zu geben, machte er sich jedesmal einen Riesenspaß daraus, Feach durch Mangel derselben zu quälen. Aber da unterbrach ihn Jethro´s Stimme in seinem Redefluß und seinen Gedanken.
"Schön, daß es dir gutgeht, lieber Bruder. Ich fürchte nur, es wird nicht mehr lange der Fall sein."
Die Stille im Ratssaal war beinahe körperlich zu fühlen. Niemand wagte, sich zu rühren, während diese Worte in der Stille widerhallten. Niemand, mit Ausnahme von Feach, der sich näher an Arkan heranschob. Lächelnd fuhr Jethro fort, als wäre nichts geschehen.
"Lieber Bruder, ich habe hier Dokumente von unserem Vater, die beweisen, daß du..."
Unglauben und Sorge zeichneten sich auf dem Gesicht des Hügelprinzen ab, als Jethro eine Pause einlegte, um seinen Worten mehr Gewicht zu verleihen.
"...ein Betrüger bist. Du sitzt auf dem Platz, der rechtmäßig mir zusteht. Hier, Feach MacLlyr, prüft die Echtheit der Dokumente und laßt uns die Entscheidung des Rates hören."
Seine Worte fuhren in die Versammelten hinein wie ein Blitz. Die Räte waren, während Jethro sprach, immer blasser geworden und zappelten nun nervös auf ihren Plätzen hin und her. Feach, äußerlich ruhig und gelassen, jedoch mit einem leichten Zögern in den Bewegungen, ging auf den Bruder des Hügelprinzen zu, um die Papiere an sich zu nehmen, während Arkan nur fassungslos murmelte:
"Das... das glaube ich nicht. Das kann nicht sein. Er würde nie..."
***
Selbst nachdem Feach die Dokumente gelesen und an den Rat weitergegeben hatte, konnte er es nicht glauben. Die Unterschrift, die Siegel - alles schien echt zu sein. Dennoch konnte es nicht sein. Es durfte nicht sein. Sollten sie all die Jahre, all die Jahrhunderte, mit einer Lüge gelebt haben? Und doch, die Beweise waren eindeutig. Den Dokumenten nach war Jethro von seinem Vater als Hügelprinz bestimmt worden. Mühsam die Fassung bewahrend drehte er sich zu den Räten um.
"Nun, habt ihr geprüft und entschieden? Der Prinz wartet auf eure Worte."
Sorgsam vermied er es, bei dem Wort Prinz einen der Brüder direkt anzublicken. Langsam kamen die Räte zur Ruhe und ihr Sprecher erhob sich.
"So höret denn die Entscheidung des Rates der Tuach na Moch. Da wir nicht imstande sind, die Echtheit der vorgelegten Dokumente zu widerlegen, sehen wir uns gezwungen, nach ihrem Willen zu handeln. Jethro Cunack, von diesem Zeitpunkt an erhaltet ihr, was euch von Geburt an zusteht: den Titel und Rang des Prinzen der Tuach na Moch, mit allen Rechten und Pflichten. Schreiber, laßt es überall verkünden."
Jethro wandte, nachdem er die Entscheidung des Rates mit einem Nicken zur Kenntnis genommen hatte, seinen Blick zu Feach.
"Was ist mit euch, Feach MacLlyr? Wem werdet ihr die Treue halten?"
Bei dieser Frage überzog ein Grinsen Arkans Gesicht. Jetzt würde dieser Verräter seine verdiente Abfuhr erhalten. Jetzt würde Feach...
"Mein Eid gilt dem Hügelprinzen, keiner Person. Ich akzeptiere die Entscheidung des Rates und stehe zur Verfügung. Befehlt."
Diese Worte von der dunklen Gestalt, die immer noch unbewegt im Saal stand, fegten das Lächeln blitzschnell wieder von Arkans Lippen. Sollte dies der Haken gewesen sein, den er die ganze Zeit gesucht hatte? Gewiß, Feach hatte bei der Eidformel seinen Namen nicht ausgesprochen, aber das war doch nur eine Formalität gewesen. Niemals hätte er gedacht, daß es einmal so enden könnte.
"Laßt ihn hier herausbringen, Feach. Lieber Bruder, du wirst nicht fortgeschickt. Du darfst dich weiterhin frei im Palast bewegen, jedoch muß ich leider deine Räume für mich beanspruchen. Das macht es leichter für die Leute, wenn sie sich nicht auch noch an neue Wege gewöhnen müssen, findest du nicht? Aber dafür kriegst du mein Zimmer, ist doch auch schon was, oder?"
Feach bedeutete der Wache mit einer leichten Kopfbewegung, Arkan abzuführen. Das letzte, was sie von ihm hörten, bevor die kräftigen Gardisten ihn zwischen sich nahmen und zur Tür geleiteten, waren folgende Worte:
"Das vergesse ich dir nicht so leicht, Jethro. Ich werde wiederkommen und meinen Platz zurückfordern. Warte nur ab..."
Ungerührt von dieser Drohung wandte Jethro sich dem mittlerweile etwas hinter ihm stehenden Feach zu und grinste ihn an.
"Soweit zu dem Thema. Wo waren wir stehengeblieben, als wir gestört wurden?"
The End ?!?