In Cor Dhai, der Hauptstadt des Hügelreiches, hatte man sich zu einer gemütlichen Runde im Saal der Geschichten zusammengefunden. Nun, eigentlich wäre es übertrieben diesen Raum Saal zu nennen, handelte es sich doch eher um ein größeres Wohnzimmer. Ein anheimelndes Feuer flackerte lustig in dem großzügigen Kamin, verbreitete angenehme Wärme und malte muntere Schatten auf die Wände und Möbelstücke.
"Und so ist es gewesen, vor so unendlich langer Zeit," beendete Arkan e´dhelcú, der Prinz des Hügelvolkes gerade eine Erzählung. Sinnierend betrachtete er den Stab der Geschichten in seinen schlanken Händen und drehte ihn gedankenverloren, so daß die an ihm befestigen Glöckchen leise erklangen. Dann sah er aus strahlenden Augen auf die Anwesenden und lächelte.
"Ich hoffe, Euch hat der Ausflug in die Altvorderenzeit gefallen, meine lieben Freunde. Wer will nun seine Stimme erheben, um uns in die Welt der Märchen und Mythen zu entführen?"
Jethro, der wieder einmal im Hügelreich als Gast seines Halbbruders weilte, grinste ihn über den Rand seines gut gefüllten Bierkruges hinweg an.
"Deine Geschichte war sehr schön, alter Freund. Aber, wie immer, eine `Winzigkeit´ zu lang. Ich glaube kaum, daß wir noch die Konzentration aufbringen können, eine Weitere zu hören, geschweige denn zu erzählen. Ich erhebe meinen Becher auf dich, Bruder."
Ihm zuprostend hoffte der Magier allerdings, daß sich der Prinz nicht genötigt fühlen mochte, eine weitere Sage zum besten zu geben. Denn wie schon gesagt: seine Geschichten waren zwar schön, manchmal auch spannend, aber doch des öfteren eben eine Winzigkeit zu lang.
Arianwen ergriff nun das Wort. Ein spöttisches Grinsen umspielte ihre feingeschwungenen Lippen.
"Werter Arkan, ich muß mich meinem Vorredner anschließen: Wir alle hier haben Euch gerne zugehört, aber trotz allem ist mir eines aufgefallen."
Arkan entzündete seine Pfeife, blies einige Rauchringe an die Decke und sah dann seine junge Gefolgsfrau auffordernd an.
"Nun," fuhr die junge Frau fort, "Ihr erzählt immer nur von Dingen, die lange zurückliegen. Aber nie berichtet Ihr von Erlebnissen, die zum Beispiel erst vor kurzem geschehen sind."
Arkan nahm einen tiefen Zug aus seinem Krug und schmatzte genießerisch. "Was wollt ihr damit sagen?" fragte er und lief auch prompt in die ihm gestellte Falle.
"Nun, guter Freund, seid ehrlich, wann habt Ihr zum letzten Mal ein Abenteuer bestanden und seid in einem Stück zurückgekehrt. Sagen wir, wann habt Ihr zum letzten Male ein Kind der Sterblichen geholt und in den Hügel gebracht?"
"Ähh, mmh," stammelte Arkan verdutzt, der begann das Unheil zu erahnen, welches sich da über seinem Haupt zusammenbraute. "Arianwen, es stimmt, es ist wohl schon etwas Zeit vergangen, seitdem..."
"Genauer gesagt," unterbrach sie ihn, "frage ich mich seit geraumer Zeit, ob unser Prinz nicht langsam zu alt für solche Husarenstücke geworden ist."
Das manchmal aufbrausende Temperament Arkans, wenn es um seinen Stolz ging, wurde auch diesmal zu seinem Verhängnis. "Gebt mir eine Aufgabe, teure Arianwen," protzte er lauthals, "ich werde sie bestehen und Euch beweisen, daß ich mitnichten zum alten Eisen gehöre."
Hintergründig lächelnd öffnete sie ihre Tasche und förderte eine Karte zu Tage, welche sie auf dem alten runden Tisch entfaltete. Mit fast zärlichen Fingern strich sie das dünne Papier glatt. Auf dem Plan waren die Grundrisse eines herrschaftlichen Gutes zu sehen.
"Dies ist das Haus von Krischnor ra Ban, einem reichen Kaufmann in Samarak. Seine Gemahlin hat ihm vor drei Monaten einen Sohn geboren, einen Stammhalter. Wenn ihr es vermögt, mein Prinz, dieses Kind sicher und gesund in den Hügel zu bringen, dann will ich zugeben, das Ihr noch nicht zu alt seid, um selber Abenteuer zu bestehen."
Arkan beugte sich über den Plan und begann diesen gewissenhaft zu studieren.
"Ehe ich es vergesse," sagte Arianwen, "natürlich ist es Euch untersagt bei diesem Unternehmen Eure Zeitmagie einzusetzen. Denn mit diesen Hilfsmitteln wäre es ja wohl jedem möglich, diese Aufgabe zu erfüllen. Versteht Ihr, es wäre einfach keine Herausforderung."
Arkan sah von der Skizze auf. "Ich werde es tun. Nur eine Frage noch. Wo habt Ihr diesen Grundriß aufgetrieben? Ich weiß bestimmt, daß er aus keinem Kartenwerk unserer Bibliothek entstammt, denn wir nutzen besseres Pergament ..."
"Ihr wißt, mein Prinz, seine Quellen sollte man immer geheimhalten. Wenn man sie verrät, kann es sehr schnell geschehen, daß andere ebenfalls sich ihrer bedienen wollen. Und dann passiert es in den meisten Fällen, daß diese Quellen versiegen." Sie schenkte ihm ein Lächeln, welches Gletscher zum sofortigen Schmelzen gebracht hätte. "Binnen einer Woche magiranischer Zeit erwarte ich Euren Erfolg, Arkan."
"Gut, und gesetzt den Fall, ich werde es schaffen, was geschehen wird, was habt Ihr mir anzubieten?"
"Ich werde Euch einen Monat in meinem Haus verköstigen. Und bei Moch, ich weiß was Ihr verdrücken und vor allen Dingen vertrinken könnt," erwiderte sie lachend.
"So heizt schon mal den Ofen an und überprüft Euren Weinkeller.
Denn ich habe vor, Euch binnen einer Woche den Balg zu bringen."
Lachend erhob sich das Mädchen und verließ mit den anderen den Raum. Nur Jethro war geblieben. Anscheinend interessierte er sich urplötzlich für einen Band dannanainscher Lyrik (ein eher dünnes Heftchen), welches er in dem mächtigen Bücherschrank des Zimmers gefunden hatte. Arkan trat an seinen Halbbruder heran.
"So,so. Geheime Quellen, was?"
Der Angesprochene sah etwas zu überrascht von seiner Lektüre auf. "Wie.., was..?" Sein Gesicht war der Spiegel der reinsten Unschuld.
"Mir kannst du nichts vormachen, Jethro. Ich kann mir genau denken, woher sie den Plan hat und wer ihr die Idee einflüsterte."
Der Kapitän grinste breit. "Und was hast du nun mit mir vor, werter Halbbruder?"
"Was soll ich schon groß machen? Ich glaube, zur Strafe werde ich dich unter den Tisch saufen."
"Na, das wollen wir erst einmal sehen, alter Mann."
"Alter Mann, na, dir werd ich...", Jethro lachte leise und schnippte mit den Fingern. Der Tisch wurde kurz in blassblaues Licht gehüllt, und als der Schein verebbte, befand sich auf ihm eine bauchige Flasche, nebst zweier prunkvoller Gläser. Arkan nahm die Flasche in die Rechte und musterte sie mit Kennerblick.
"Ein guter Zwölfer, Uthcaer Nordhang. Ich muß sagen, nicht nur dein Geschmack hat sich gebessert, sondern auch deine Zauberkunst. Aber keine Bange. Ich werde es Albatanor nicht sagen, wenn er mich nach dem Verbleib dieses edlen Tropfens fragen sollte."
***
Das Haus des Kaufmannes lag außerhalb der Metropole, fernab vom Geschrei und mitunter strengem Geruch der Hafenstadt. Nur ab und zu war die Meeresbrandung von der nahegelenen Küste zu hören.
Aus scharfen Augen betrachtete Arkan das Anwesen. Seit zwei Tagen nunmehr lag er hier auf der Lauer und hatte sich in seiner eher schlampigen Handschrift Notizen über den Wachwechsel gemacht. Zum tausendsten Mal verfluchte er seinen kindischen Stolz, der ihn in diese Lage gebracht hatte. Einen Säugling aus dieser schwer bewachten Feste herauszubringen, dies warf gewiß mehr Probleme auf, als Ery van Frysia einen zinslosen Kredit aus den Rippen zu schneiden. Doch in dieser Nacht sollte es geschehen. Noch einmal überprüfte der Tuach na Moch seine Ausrüstung. Das Fleisch mit den Schlaftropfen für die Hunde, die sechs Blasrohrpfeile nebst dem Gift, welches für die Wachen bestimmt war. Liebevoll strich Arkan über das beinerne Blasrohr, der einzigen Fernwaffe, die er wirklich beherrschte. Ein rascher Blick zum wolkenlosen Himmel sagte ihm, daß es Zeit war mit dem Einbruch zu beginnen. Gerade eben wurde die Wache abgelöst. Wenn er sie nun lautlos ins Reich der Träume schicken könnte, würde ihm eine ganze Stunde bis zum nächsten Rundgang bleiben. Er hob das Mundstück seiner Waffe an die Lippen, zielte sorgfältig und mit einem kaum hörbaren Plopp sandte er den mit einem feinem Dorn bestückten Wollballen in die Dunkelheit. Der anvisierte Wächter griff sich in einer reflexartigen Bewegung an den Hals, brachte noch einen Fluch auf die verdammten Mücken über die Lippen, bevor er lautlos nach vorne ins weiche Erdreich des Gartens fiel. Zufrieden lächelnd entnahm der Prinz seiner Tasche ein kräftiges Stück rohen Fleisches. Ein leiser Pfiff genügte, um die Aufmerksamkeit des Wachhundes zu erwecken. Lautlos trabte er heran, vorsichtig und aufmerksam witternd.
Anscheinend hatte der Besitzer nicht allzuviel für die Ausbildung seines Tieres angelegt, jedenfalls nahm der Köter den ihm zugeworfenen Bissen mit Heißhunger. Kaum hatte er ihn hinuntergeschlungen, so schlief er auch schon in den tiefsten Zügen. Lautlos schwang sich Arkan über die Eingrenzung des Hofes und strebte dem Haupthaus zu. Jeden kleinsten Schlagschatten ausnutzend, erreichte er die Mauern des Hauses. Dort angekommen, gönnte er sich eine kleine Verschnaufpause. Ein kleiner Schluck Zwergenschnaps beruhigte seine bis zum Zerreißen gespannten Nerven. Die Flasche wurde rasch wieder verkorkt und an ihrem Platz an seinem Gürtel befestigt, gleich neben einer ansehnlichen Sammlung von einigen schlanken Messern.
Ein paar weitere Schritte nur benötigte er, um an den Eingang des Hofes zu gelangen. Prüfend sah der kleine Mann in die Höhe, und sein Mund verzog sich zu einem zufriedenen Lächeln. Im ersten Stockwerk des trutzigen Hauses hatte man unvorsichtigerweise ein Fenster offengelassen. "Dies ist ja schon beinahe als Einladung zu verstehen, " murmelte der Mann bei sich. Er spie in die Hände, ergriff einige Efeuranken und überzeugte sich von ihrer Festigkeit, bevor er sich daran machte, an ihnen emporzuklettern.
Nach einem kurzem Augenblick erreichte er das Fenstersims. Dort verharrte er für ein paar Atemzüge, um seine Augen an die Dunkelheit des hinter dem Fenster liegendem Raumes zu gewöhnen. Gleich einer übergroßen, schwarzen Katze hockte der Prinz auf dem schmalen Fensterbrett, während er seine weiteren Schritte sorgsam durchdachte. Dann schlüpfte er lautlos in das Zimmer. Ein leises Geräusch ließ ihn zusammenfahren. Goldgelbe Augen starrten ihn unverwandt an. Der Kater des Hauses fühlte sich offenbar in seinem Domizil gestört. Zuerst krümmte sich sein Rücken zu einem bedrohlichen Buckel, jedoch als Arkan begann, eine sanfte Melodie zu summen, entspannte sich das Tier rasch wieder. Zärtlich kraulte er dem Kater den Kopf, was dieser mit einem behaglichen Schnurren quittierte.
"So ist es gut, kleiner Freund, "wisperte der Prinz. "Du erkennst eine verwandte Seele wenn Du sie siehst. Beide sind wir Jäger und Geschöpfe der Nacht. Glück auf dem Weg, schwarzer Bruder." So als hätte das Tier ihn verstanden, strich es noch einmal um die Beine Arkans, und verschwand dann in der Dunkelheit. Lautlos wie ein Schatten. Arkan erhob sich und strebte der Tür zu. Mit fachmännischem Blick musterte er den Durchgang. Einige Tropfen Öl auf die eisernen Angeln, und die Türe ließ sich lautlos öffnen.
Das ruhige Leuchten zweier Öllampen erhellte den schmalen Flur, der nun vor Arkan lag. Der Prinz rief sich den Plan des Gebäudes in Erinnerung. Der dritte Eingang auf der rechten Seite müsste, laut des Grundrisses, die Kinderstube sein.´ Schwere Schritte, die ihm entgegenkamen, warnten ihn rechtzeitig vor dem Herannahen eines Hausbewohners. Den Atem anhaltend presste sich Arkan in eine Nische und harrte der Dinge, die da kommen sollten.
Ein wohlbeleibter Mann, gekleidet in prächtigen Gewändern, betrat das Kinderzimmer. Kurze Zeit später öffnete sich die Pforte erneut, und der Hausherr strebte mit einem Bündel auf dem Arm die breite Treppe hinunter zum Hauptsaal des Hauses. "Komm, kleiner Stammhalter, ich will dich meinen Gästen präsentieren." Arkan zerquetschte einen Fluch zwischen den Zähnen.
Als der Prinz die Schritte auf der Treppe verhallen hörte, schlüpfte er als unsichtbarer Schatten in die Kinderstube. Seinem Auge offenbarte sich eine geschmackvolle und vor allen Dingen sehr luxuriöse Einrichtung. Rasch wählte er ein sicheres Versteck, jedoch nicht ohne zuvor einen herrschaftlich aussehenden Ring in eine seiner Taschen verschwinden zu lassen. Gute zwei Stunden harrte er auf dem Dach der überdimensionalen Himmelswiege aus, bevor er durch das Herunterdrückens der Türklinke aus seiner Döserei geweckt wurde.
Er beobachtete den Hausherren nebst der Amme, die nun den kleinen Stammhalter zur wohlverdienten Nachtruhe betteten.
"Herr, " ließ sich schüchtern die Frau vernehmen, "wir dürfen nicht vergessen, dem stillen Volk das übliche Opfer zu bringen, auf daß Euer Sohn dort bleibt, wo er hingehört, nämlich in seiner Wiege." Der Mann sah amüsiert auf das Kindermädchen herab. "Dorna, wenn du nicht so hervorragend für meine Kinder sorgen würdest, hätte ich dich schon lange auf die Straße gesetzt. Oder glaubst du etwa, ich wäre zu meinem Reichtum gekommen, wenn ich wirklich jedem Aberglauben nachgeben würde?"
"Herr", beschwor ihn das Mädchen, "bitte achtet auf das, was Ihr sagt. Ihr wißt doch, das Hügelvolk hat überall seine Augen und Ohren. Ein falsches Wort im unbedachten Moment ausgesprochen hat schon oftmals zur Katastrophe geführt."
"Kleines", sagte er herablassend, "glaubst du wirklich, daß eines von deinen Hirngespinsten es wagen würde, in dieses wohlbewachte Haus einzudringen, um mein Kind zu rauben oder was deine Hügelvölkler noch so anrichten, will man den Legenden Glauben schenken?"
Die junge Frau schwieg. Und kaum zwei Meter über ihnen stahl sich ein böses Lächeln auf die Lippen des Hügelprinzen. Endlich verließen die Menschen das Zimmer. Gewandt schwang sich Arkan von seinem luftigen Versteck und näherte sich der Wiege. Liebevoll sah er auf das Menschenjunge herab, welches ihn erst fragend und dann mit einem feinen Kinderlächeln anschaute.
"Komm mit mir, mein Kleiner, " raunte er leise. Behutsam nahm er es auf seine sehnigen, kräftigen Arme und wiegte den Jungen sanft hin und her. Fröhlich glucksend versuchte das Kind, die langen Haare des Prinzen zu erhaschen. "Ich glaube, ich werde dich Calangor nennen... du hast seine Augen." Dann wickelte er den Säugling in eine warme Decke und öffnete das Fenster. Ein rascher Blick überzeugte ihn, daß die schlafende Wache noch nicht entdeckt worden war. Er hängte sich seine Beute wie einen Rucksack über die Schultern und begann den Abstieg. Wenige Minuten später hatte er den Boden erreicht.
Nur noch gut 50 Klafter trennten den Dieb von der Einfriedung des Gehöftes. Doch nach wenigen Schritten vernahm er hinter sich ein drohendes Knurren. Langsam wandte er sich um und erblickte einen der Wachunde, der sich mit angriffslustigen, hochgezogenen Lefzen knapp hinter ihm aufgebaut hatte. Vorsichtig zog Arkan einen schlanken Wurfdolch. Ein weiteres tiefes Grollen aus einer Hundekehle fuhr ihm wie Eis in die Glieder.
Rechts neben dem Eindringling war ein zweites Tier aus der Dunkelheit aufgetaucht. Gelblich blitzten seine gefährlichen Reißzähne im fahlen Mondlicht. Behutsam, jede überflüssige Bewegung vermeidend, zog sich der Prinz langsam an die Mauer zurück. Doch augenscheinlich gefiel es den Göttern ihm noch ein weiteres Hindernis in den Weg zu legen. Denn sie sandten ein beißwütiges Insekt, welches dem Knaben einen schmerzhaften Stich zufügte. Sein wehleidiges Krakeelen provozierte einen der Hunde zum Angriff. Mit lautem Bellen ging das Tier Arkan an. Mehr aus Instinkt, denn aus bewußtem Handeln schleuderte er sein Messer. Sich überschlagend und laut fiepend versuchte der Angreifer noch in seinen Todeszuckungen den scharfen Stahl aus seiner Seite zu ziehen. Der Prinz sprang geradezu die Wand hinauf, und ließ sich auf der anderen Seite hinunterfallen.
Schmerzhaft protestierten seine überanspruchten Sehnen, als er unsanft auf der harten Erde aufschlug. Nur dank seines Geschickes und seiner Körperbeherrschung, vermochte es Arkan, schwerwiegenderen Verletzungen zu entgehen. Sich abrollen und lossprinten war eins. Als er kurz über die Schulter blickte, erkannte er mit Schrecken, daß der andere Hund es fertig gebracht hatte, mit einem gewaltigen Satz über die Mauer zu springen und ihm nachzusetzen. Arkan schloss kurz die Augen und weckte seine letzten Kraftreserven. Noch 20 Klafter bis hin zum Eingang,....noch zehn...
***
"....schon spürte ich den heißen Atem des mächtigen Wolfhundes an meinem Nacken, da schaffte ich den Übergang. Mehr nur erahnend vernahm ich das dumpfe Aufklatschen des Tierkörpers auf dem harten Granit des Menhirs, der den Übergang in unser Reich des Hügels beinhaltet.
Ja, und so bin ich wieder hier. Und zum Beweis habe ich das Kind mitgebracht, nebst dem Siegelring seines Vaters. Also, meine liebe Arianwen. Ich habe meinen Teil der Wette erfüllt. Nun ist es die Reihe an Euch."
Das Mädchen zauberte ein allerliebstes Lächeln auf ihre Lippen. "Ich gebe hiermit vor allen zu, daß Ihr mitnichten zu alt für Abenteuer auf der Aussenwelt seid. Ich werde gehen und meine Küche in Ordnung bringen. Denn ich weiß, was für einen Freßsack ich die nächsten Wochen zu beherbergen habe."
Mit diesen Worten verließ sie würdevoll den Kristallsaal. Und nur aufmerksamen Beobachtern wäre es möglich gewesen, das heimliche Vergnügen in ihren Augen zu erkennen.
Auch die anderen Zuhörer machten sich auf den Weg, so daß nur noch Lorendas und der Prinz selber im Raum anwesend waren.
"Eine unterhaltsame Geschichte, fürwahr, " sprach Lorendas, der Weise des Hügels, "doch jetzt laßt mich Eure Wunde sehen."
"Wunde? " Das Gesicht Arkans zeigte schlecht gespielte Überraschung.
"Mir könnt Ihr nichts vormachen, mein Primz. Ich habe Euch längst durchschaut. Denn erstens war Eure Erzählung viel zu kurz, und zweitens dieses Herumgerutsche auf Eurem Thron ist gewiß nicht nur Eurer Aufregung zuzuschreiben. Denn eigenlich hattet Ihr noch nie Scheu, vor einem Publikum zu sprechen. Also erlaubt mir, Eure Verletzung zu versorgen."
Laut lachend erhob sich Arkan und öffnete seinen Gürtel. Als die Hose zu Boden glitt, gab sie den Blick auf blutverschmierte Beine frei.
"Anscheinend habt Ihr nicht nur den Atem des Hundes verspürt, sondern durchaus auch seine Zähne," bemerkte Lorendas nüchtern.
"Und wenn Ihr jemals etwas über das wahre Ende verlauten lasst, dann....."
Der Alte hörte nicht mehr auf die Drohungen Arkans, sondern begann schmunzelnd den Allerwertesten, den der gesunde Abdruck einer Zahnreihe zierte, fachkundig zu verarzten.
Ich weiß nicht, wer das eigentliche Ende den werten Freunden verraten haben mag, aber ich habe so meinen Verdacht. Jedenfalls, mein Zorn ist verraucht, und wird vollends verschwinden, wenn mich der Schuldige auf eine Sauftour einlädt. Also, Jethro, zück schon mal deine Börse.
Arkan e´dhelcú, Prinz des Hügelvolkes