Für eine Nacht

 

Wachwechsel. Mit langen, festen Schritten gingen Brianna und Dayn den Spiegelgang entlang, der von der Haupttreppe des Kristallpalastes in Cor Dhai zum Festsaal führte. In der Gardeuniform der Fianna gekleidet, fühlte Brianna sich unwohl. Diese bestand aus einen langen schwarzen Umhang, der an den Schultern zurückgerafft wurde. Lederstiefel, braune Lederhose, ein grünes Hemd aus Wolle und ein braunes Schnürlederwams, welches sehr eng geschnürt war, vervollständigten die Kleidung. Die Stiefel machten auf den mit dichten Teppichen belegten Gang keine Geräusche. Zu beiden Seiten des Ganges waren Spiegel aufgehängt, durch diese konnte man ankommende Gäste aus allen Perspektiven sehen. An dem Tor zum Festsaal angekommen, verbeugten sich die beiden vor den anderen Fianna, die nun ihren Wachdienst beendet hatten.
Trotz ihrer bereits 10jährigen Zugehörigkeit zu den Fianna, verspürte Brianna immer noch eine leichte Nervosität bei diesen von traditionellen Riten durchsetzten Wachwechsel. Mit beiden Füssen fest auf dem Boden stehen, dann auf der linken Hacke drehen, die Sichelklinge auf die Brust pressen, dann diese mit Schwung ums rechte Handgelenk kreisen lassen und dann in die dafür vorgesehene Halterung im Boden gleiten lassen.
Die Sichelklinge war ein ca. vier Fuß langer Holzstab der an beiden Enden mit mondsichelförmigen Klingen bestückt war, welcher diese Waffe ihren Namen verdankte.
Brianna und Dayn, ein anderer Fianna, standen nun flankierend an den geöffneten Toren zum Thronsaal. Sie hatten nun den Platz eingenommen, an dem sie für die nächsten Stunden verweilen mussten.
Der Anlass war die Vorstellung des Kronprinzen Æolas e´dhelcú dem Adel des Hügelvolkes.
Alle sieben Hauptfamilien hatten ihre Vertreter entsandt. Im Festsaal war ein fürstliches Bankett errichtet worden, gerade heute geizte der Hügelprinz Arkan e´dhelcú nicht. Zahlreiche Bedienstete sollten dafür Sorge tragen, dass es der illustren Gesellschaft an nichts mangelte. Der Festsaal bot auch einen Balkon, von dem aus man über eine Freitreppe in die Gartenanlagen des Kristallpalastes gelangen konnte. Auch dort waren Fianna postiert. Es waren zwar keine Drohungen ausgesprochen worden, aber es war ein offenes Geheimnis, dass nicht alle Angehörigen der Häuser mit der Brautwahl des Prinzen einverstanden gewesen waren. Auf alle Fälle wollte man gewappnet sein.
Den ganzen Nachmittag bis zur Mitternachtsstunde würde ihr Dienst dauern, danach konnten sie und die anderen Fianna der Hauptschicht auch feiern.
Mit unbewegtem Blick hörte Brianna zu, wie alle Gäste mit Namen angekündigt wurden, ihre Geschenke überreichten, dem Thronfolger die besten Wünsche entgegenbrachten und das Prinzenpaar ihnen huldvoll dankte.
Es wurde ausgelassen gefeiert, Wein floss in Strömen, und die Diener hatten alle Mühe, dem trinkfreudigen Hügeladel rechtzeitig die Kelche zu füllen.
Durch die Spiegelreflektionen konnte Brianna auch einen Blick auf das Prinzenpaar erhaschen. Arkan und seine junge Frau Fiacha schienen sehr glücklich und zufrieden zu sein.
Von dem Kronprinz konnte Brianna nichts hören.
"Vielleicht hat man ihm ein leichtes Beruhigungsmittel gegeben?" schoss es ihr durch den Kopf.
Die Mitternachtsstunde rückte immer näher, seit einiger Zeit waren keine neuen Gäste mehr eingetroffen. Langsam begann Brianna sich zu entspannen und verlagerte ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Sie warf einen kurzen Blick in den Spiegel. Eine blasse, abgespannte junge Frau blickte ihr entgegen. Das dunkelbraune Haar war hochgesteckt, die braunen Augen sahen müde aus.
Am anderen Ende des Spiegelgangs schwang das doppelflügige Tor auf. Eine große Gestalt, gehüllt in einem langen, wallenden Kapuzenumhang betrat diesen. Mit weit ausgreifenden Schritten näherte sie sich dem Tor zum Festsaal. Brianna warf einen kurzen Blick zu Dayn, und nach einem kurzen Augenzwinkern lockerten sie beide die Sichelklingen in ihrer Halterung. Kurz vor dem Tor hielt die mysteriöse Person an.
Mit einer weit ausholenden Bewegung entledigte sich der nun offensichtliche Mann seines Umhangs.
Brianna wie auch Dayn hatten dies mit Argusaugen beobachtet, und nun hatte sie das Gefühl, den Boden unter den Füssen zu verlieren. Heiß stieg ihr das Blut zu Kopf. "Bei Mesg, er!"
Ungebeten stieg die Erinnerung an eine besondere Nacht in ihr auf.

"Brianna, kommst du heute Abend mit zu den Beltane-Feuern?" Augenzwinkernd stand Dayn vor ihr. "Falls du Angst hast, dass dir kalt wird, keine Sorge, da hab ich genau das richtige." Er hielt ihr schmunzelnd eine kleine, klare Phiole hin, welche mit einer roten, durchscheinenden Flüssigkeit gefüllt war. Brianna, zu deren Ausbildung es auch gehörte Substanzen zu erkennen, wusste, dass es sich hierbei um ein Aphrodisiakum handelte.
"Na? Lust heute Abend dein Feuer für Mesg zu entfachen?"
Brianna hatte die ganze Zeit schweigend dagestanden und ihren Trainingspartner amüsiert beobachtet. Dayn machte eine gute Figur in den weiten, schwarzen Hosen und dem engen, kurzärmeligen Schnürhemd, es brachte seine schmale Taille und sein breites, muskulöses Kreuz äußerst vorteilhaft zur Geltung. Langsam hob sie ihre rechte Hand, um eine Strähne seines pechschwarzen Haares, das ihm in die Augen fiel, zurückzustreichen.
"Dayn, mein Lieber, das könnte ein Feuer sein, welches du nicht beherrschen kannst."
"Das heißt du kommst mit?" Ungläubig sah er sie an. "Nach all den Jahren kommst du das erste Mal zu den Feuern?"
Brianna, die auch noch ihre Übungskleidung trug, wandte sich nun den Waschschüsseln, die auf einer Anrichte standen, zu. Langsam und aufreizend zog sie ihr Hemd aus, beugte sich leicht über die Schüssel und wusch sich.
"Das habe ich nicht gesagt. Tatsache ist, dass ich auch heute Abend trainieren werde, wie fast jeden anderen Abend auch. Du wirst dich auch ohne mich fürstlich amüsieren. Nicht wahr?" Brianna drehte sich wieder zu ihm um, er machte einen bedrückten Eindruck.
"Mit dir wäre es aber etwas ganz besonderes," murmelte er, seinen Kopf leicht zur Seite drehend. Trotzdem war ihr noch das kurze schelmische Blitzen in seinen Augen aufgefallen.
"Oh Dayn, wenn ich das gewusst hätte. Dann lass uns doch nicht warten, lass uns vor Anamoch treten und den Bund fürs Leben eingehen!"
Brianna umarmte ihn überschwänglich, die Tatsache, dass ihr Oberkörper entblößt war, störte sie überhaupt nicht. Langsam entließ sie Dayn wieder aus ihrer Umklammerung.
"Ähmm...," ein leichter, panikerfüllter Ausdruck beherrschte Dayns Gesicht.
"Nun gut, ich werde dich nicht heiraten, und ich werde nicht zu den Beltane-Feuern kommen! Verstanden? Nun werden wir beide das Dampfbad aufsuchen, und wenn du ein lieber Junge bist, werde ich dir vielleicht den Rücken massieren."
"Brianna, irgendwann wirst du mit deiner Forschheit Probleme bekommen, denn dann nimmt dich vielleicht jemand ernst, und...."
"Solange du da bist um mich rauszupauken, kann mir gaaaar nichts passieren."
Die beiden zogen die schweißdurchtränkte Kleidung komplett aus und begaben sich zu den Räumen, in denen sie sich nach einem anstrengenden Training richtig ausschwitzen konnten. Stufenförmig waren Liegeflächen um einen heißen Stein verteilt. Nach einem Bad in einer die Sinne wieder belebenden kalten Quelle zogen sie ihre knielangen Mäntel an und gingen weiter zu den Umkleidräumen, in denen sich auch ihre Initiatenkleidung befand.
Die geheimen Übungsstätten befanden sich in den Hügeln außerhalb von Cor Dhai. Natürliche Höhlen, Gänge, unterirdische Flüsse und Seen boten vielfältige Möglichkeiten zur Körperertüchtigung und Training. In einem Tal befanden sich versteckte Blockhütten, in denen die Ausbilder und ihre Schützlinge schliefen.
"Wieviel Zeit haben wir noch?" wandte sich Dayn fragend an Brianna, "bis das letzte schwebende Schiff vorbeikommt?"
"Genug Zeit, um noch eine Kleinigkeit zu essen und um dich etwas auszuruhen."
Brianna sah ihn von der Seite an, sie fasste bereits Pläne, wie sie unbemerkt an Bord schleichen konnte, um ihre alljährliche von ihr selbst ersonnene Prüfung abzulegen.

"Endlich!" Brianna atmete tief durch. Das schwebende Schiff hatte abgelegt und war nun unterwegs von den Übungsplätzen zu Cor Dhai. Die jungen Lehrlinge, sowie ihre Ausbilder befanden sich vorne am Bug. Aufgeregt plapperten sie miteinander.
Brianna hatte sich am Heck hinter einigen leeren Fässern und Kisten versteckt. Sie war als letzte an Bord gekommen, indem sie an der Bordwand hochgeklettert war. Niemand, weder Schüler noch Lehrer waren an der Ausbildungsstätte zurückgeblieben. Sie alle durften in dieser Nacht an den Feierlichkeiten teilnehmen. Brianna musste nur noch für einige Zeit unbemerkt bleiben. Da alle bereits fleißig, aber in Maßen dem Alkohol zusprachen, würde sich diese Aufgabe nicht als zu schwierig gestalten.
In dem großen, alten Wald von Cor Dhai waren auf einer riesigen Lichtung Feuer errichtet worden, und es hielten sich bereits zahlreiche Mocha an diesen Feuern auf. Musiker mit Trommeln, Fideln und Flöten spielten auf zur fröhlichen Musik.
Brianna drückte sich am Waldrand herum. Ihre selbst auferlegte Aufgabe bestand darin, später, wenn die Musik verklungen war und die letzten Tänze getanzt waren, wenn die Mocha pärchen- oder auch gruppenweise zueinander gefunden hatten und Mesg huldigten, zwischen diesen zu wandeln. Warum? Nur um sich selbst zu beweisen, dass niemand sie - wenn sie es nicht wollte - bemerken würde.

Sie schien nicht die einzige zu sein, die dieses Beltane nur eine Zuschauerrolle übernehmen wollte. Von ihrem Versteck aus konnte sie einen weißhaarigen Schopf erkennen. Vorsichtig kroch sie hinter dem Baumstumpf hervor, hinter welchem sie die Festivitäten abwarten wollte, um sich dann auf ihren Gang zu begeben. Neugierig schlich sie näher an die Gestalt heran, noch wandte sie ihr den Rücken zu. Brianna konnte jetzt wenige Einzelheiten ihrer Kleidung ausmachen. Ein dunkler Umhang aus festem und teurem Stoff bekleidete sie, die Kapuze war zurückgeschlagen. Näher, immer näher kroch Brianna heran, darauf bedacht kein noch so leises Geräusch zu verursachen. Langsam konnte sie mehr erkennen, - es handelte sich offensichtlich um einen Mann, der auf einem umgekippten Baumstamm Platz genommen hatte. Neben ihm stand eine Karaffe mit einer roten Flüssigkeit und ein Glas. Brianna schlug nun einen Bogen, um einen klaren Blick auf diese seltsam anmutende Szenerie zu bekommen. Behutsam bewegte sie sich über dem moosigen Waldboden, darauf achtend, auf keinen noch so kleinen Zweig zu treten. Hinter einem Baum verharrte sie und linste um den Stamm.
Bei Mesg! Er?
Ihn, Jethro Cunack, hatte sie noch nie bei den Feuern gesehen. Sie bemerkte ein leichtes Kräuseln seiner Stirn. Eine Handbewegung seinerseits und ein zweites Kristallglas erschien. Unvermittelt blickte er auf, und seine klaren, grau-grünen Augen trafen die ihren. Er stand auf, drehte sich leicht und machte eine einladende Geste auf sein "Picknick" deutend. Brianna erhob sich hinter dem Baumstamm, blickte sich kurz um, straffte ihre Schultern und ging zu dem Mann. Sie war sich nicht sicher, ob er sie bereits erkannt hatte.

Sie war noch sehr jung gewesen, als sie sich das letzte Mal gegenüber gestanden hatten. Viele Jahre waren seitdem vergangen, und Brianna war erwachsener geworden. Jethro Cunack war ein guter Freund von Feach MacLlyr, dem Hauptmann der Fianna. Einige Male hatte sie die beiden beim Gespräch über einer Menge Alkohol beobachtet. Obwohl damals Feach Objekt ihrer Neugierde war, kannte sie auch Jethro.
Aber Namen und Positionen spielten in dieser Nacht keine Rolle.

Bevor sie bei Jethro ankam, bemerkte sie ein Kribbeln, und ein Gefühl, als ob ihre Anwesenheit nicht erwünscht sei, bemächtigte sich ihrer. Brianna verharrte in ihrem Schritt, ihr Blick richtete sich fragend auf ihren Gastgeber. Der Mann lächelte, nickte wissend und reichte ihr seine Hand. Brianna ergriff diese, setzte wieder an zu einem Schritt und verspürte plötzlich einen Sog zu Jethro hin.
"Schutzmaßnahmen?" fragte Brianna, Jethro erstaunt anblickend.
"Man tut, was man kann, um unbemerkt zu bleiben. Von der Lichtung aus bin ich hinter diesem Schild nicht zu erkennen, vom Wald aus wohl, das habe ich nicht bedacht."
Unwillkürlich lächelte Brianna.
"Darf ich Platz nehmen an Eurer hohen Tafel?"
Jethro erwiderte augenzwinkernd und mit einem leicht näselnden Ton: "Natürlich, Gnädigste, es wäre mir eine Ehre, Euch bei meinem Gelage als Gast zu empfangen."
Mit einer steifen Verbeugung beendete Jethro diese Scharade und beide nahmen Platz. Er füllte die Kristallkelche mit der Flüssigkeit aus der Karaffe und hielt ihr einen der Kelche hin.
"Cryseischer Wein, ich hoffe, er spricht Eurem Geschmack zu."
"Ich nehme an, diese Frage gleich beantworten zu können, da es mir bisher nicht vergönnt war diesen Wein zu kosten."
Brianna nippte kurz an dem Kristallglas, dieser Wein kitzelte ihre Geschmacksnerven. "Dieser Wein, wie auch immer gereift, und wo auch immer angebaut, schmeckt hervorragend."
Sie setzte den Kelch erneut an die Lippen und nahm einen tiefen Schluck.
‚Was mache ich hier eigentlich?' Unsicherheit und Wein stiegen ihr zu Kopf. Beide versanken in Schweigen und beobachteten, durch einen Illusionszauber Jethros geschützt, das Treiben auf der Lichtung.
Brianna rang mit sich selbst. Auf eine merkwürdige Weise fühlte sie sich von dem Mann angezogen. Entsprach er doch gar nicht ihrem Bild von einem Traummann, wünschte sie sich dennoch auch von ihm attraktiv gefunden zu werden. Noch immer saßen sie auf dem Baumstamm, ihre Aufmerksamkeit der Lichtung zugewendet und Brianna hielt sich verlegen an ihrem Wein fest, als Jethro zu sprechen anhob. Er begann sie auszufragen nach ihrem Wohnort, ihren Interessen, und Brianna antwortete wahrheitsgemäß, soweit es ihr möglich war, wobei sie dennoch keine Details preisgab. Im Gegenzug erkundigte sie sich nach seinen Aktivitäten an der Oberwelt, sie bemerkte hin und wieder, dass er in seinen Antworten stockte, andere Male fiel ihr auf, dass seine Geschichten glatt und lückenlos erschienen, als ob er sie oft und immer wieder auf die gleiche Art erzählt hätte.
Das Beltane-Fest, das unweit von ihnen stattfand, rückte immer mehr in Vergessenheit. Inzwischen saßen sie sich rittlings auf dem Stamm gegenüber. Längere Augenkontakte hatten sie bisher vermieden. Eine weitere Gesprächspause entstand. Die dritte Weinflasche, auf wundersame Weise erschienen, war bereits geleert. Jethro sah sie an, die leere Flasche in der rechten Hand.
"Noch weiterer Wein gewünscht?"
Brianna warf ihm einen langen Blick zu, sie hatte das Gefühl in diesen ausdrucksstarken Augen zu versinken.
"Nein für mich nicht, ich habe eh das Gefühl, den Boden unter meinen Füssen zu verlieren."
Noch immer ließen seine Augen die ihren nicht los, die Karaffe befand sich immer noch in seiner Hand.
Brianna langte hinüber zu dieser und entwand sie sanft seinem Griff. Langsam und vorsichtig lehnte sie die Kristallkaraffe an den Baumstamm. Jethro hatte inzwischen die Hände in den Schoss gelegt. Ihr erschien es, dass er diesen noch immer bestehenden Augenkontakt nun beenden wollte. Sie ergriff seine Hände behutsam, ihr Blick hielt den seinen fest. Innerlich bebte sie vor Nervosität. Sie stand langsam auf, während sie immer noch seine Hände festhielt, auf und schwang vorsichtig ein Bein über den Baumstamm. Mit angehaltenem Atem ließ sie sich auf seinem Schoss nieder, entließ seine Hände aus ihrem Griff und strich ihm zärtlich eine Strähne seines Haares aus dem Gesicht. Sie atmete tief ein und bemerkte, dass auch er den Atem angehalten hatte. Seine Arme schlangen sich um ihren Körper und drückten sie näher an sich. Sie legte die ihren um seinen Nacken, schloss die Augen und küsste ihn.
Von einem Moment zum anderen schwenkte Jethro von seinem abwartenden Verhalten zu einer Leidenschaft um, die sie beinahe erschreckte. Seine Hände streichelten ihren Rücken und wanderten hoch zu ihrem Kopf. Er fuhr ihr mit seinen Fingern durch die Haare, krallte sich in diesen fest und zog ihren Kopf ein wenig nach hinten. Seine Lippen bewegten sich von ihrem Mund zum Hals, nicht ohne einen kurzen Aufenthalt an den Ohren zu verbringen. Schauer der Lust erfassten Brianna, als Jethros Lippen weiter zu ihrem Hals gelangten. Brianna löste ihre Umarmung, mit zitternden Händen löste sie die Schnüre seines Hemdes, zog es ihm ungeduldig über den Kopf und machte sich dann daran seinen muskulösen Oberkörper mit den Lippen zu erforschen. Als sie kurz innehielt, um nach Atem zu schöpfen, schlang Jethro seine Arme unter ihre Beine und Oberkörper und trug sie von dem unbequem gewordenen Baumstamm fort zu einem nahe gelegenen Moosbett. Vorsichtig kniete er nieder und ließ sie sanft zu Boden gleiten, um gleich darauf zu folgen. Kleidung wurde ungeduldig und hektisch ausgezogen, und die beiden versanken in einer Nacht der Leidenschaft.

Brianna erwachte durch Sonnenstrahlen, die sie an der Nase kitzelten, verwundert und orientierungslos setzte sie sich auf. Es schien erst früher Morgen zu sein. Ein schneller Blick zu jeder Seite versicherte ihr, dass sie alleine war. Hastig stand sie auf und suchte ihre verstreuten Kleidungsstücke zusammen, als sie mehrere Stimmen hörte. Als sie schon hastig, nackt wie sie war, das Weite suchen wollte, traten die ersten Diener an den Baumstamm heran, an dem sie und Jethro gestern Abend Platz genommen hatten. Diese Diener trugen mehrere abgedeckte Platten. Vor dem Baumstamm wurde ein Tisch aufgebaut, auf den diese Platten gestellt wurden. Immer noch ihre Kleidung an den Leib pressend, wollte Brianna sich langsam wegschleichen, als sich ein Hindernis ihr in den Rücken stellte.
"Na, möchtest du gehen, bevor du ein Frühstück zu dir genommen hast?"
Verwundert schaute Brianna über die Schulter auf den hinter ihr stehenden Mann. Jethro war bereits wieder angekleidet und schien sich zu amüsieren.
‚Na warte!' dachte Brianna.
"Ich habe nur nach einem geeigneten Ort gesucht, um mich frisch zu machen und mich anzuziehen," erklärte sie mit einem Blick aus ihren, wie sie hoffte, unschuldig wirkenden Augen.
"Da vorne," deutete Jethro, "ist ein kleiner Bachlauf, an dem du ungestört deine Morgentoilette verrichten kannst. Danach leistest du mir doch Gesellschaft zum Frühstück?"
Brianna vermeinte einen Hauch Unsicherheit aus seiner Stimme zu vernehmen. Sie sah ihn verschmitzt an, nahm eine Hand von ihrem Kleiderbündel und legte ihm diese in den Nacken, um seinen Kopf zu sich zu ziehen. Sanft küsste sie ihn.
"Du kannst mich jederzeit zum Frühstück einladen."
Immer noch lächelnd löste sie sich wieder von ihm und ging in die angedeutete Richtung zum Bachlauf, um sich frisch zu machen. Als sie wieder zurückkam, sah sie wie Jethro den Dienern noch letzte Anweisungen erteilte und diese dann fortschickte.
"Die Tafel ist gedeckt, meine Dame, nehmt doch bitte Platz," lud er sie ein.
"Habt Dank! Ihr seid sehr großzügig, mich an diesem opulenten Frühstück teilnehmen zu lassen," erwiderte Brianna und nahm auf dem Baumstamm, der ihnen als Sitzgelegenheit diente, Platz.
Kalte Platten, die mit Früchten, Broten und verschiedenen Sorten Konfitüre belegt waren, und Kannen, gefüllt mit immer noch dampfendem Tee, waren aus Cor Dhai von den Dienern gebracht worden. Schweigend nahmen die beiden ihr Essen zu sich. Langsam waren auch die ersten Geräusche von der Lichtung zu hören.
Brianna sah Jethro an.
"Es hört sich an, als würde meine Truppe wach werden. Ich fürchte, ich muss dich mit dem Abwasch alleine lassen, ich habe ein Schiff zu erreichen."
Mit diesen Worten stand sie auf, drückte dem verdutzt dreinschauenden Jethro noch einen dicken Kuss auf die Lippen, und wandte sich zum gehen.
"Übrigens... Jethro Cunack, mein Name ist Brianna d ´elazar, Schülerin in den Künsten der Fianna. Hocherfreut, deine Bekanntschaft gemacht zu haben."
Mit diesen Worten verschwand sie zu dem bereits einschwebenden Schiff, das sie wieder zum Berg bringen würde.

Dieses mal war es ihr vollkommen egal, wer sie sehen würde, - egal, dass sie nichts dazugelernt hatte, was sie ihrem Ziel näher bringen würde. Sie hatte die schönste Nacht ihres jungen Lebens mit dem außergewöhnlichsten Mann, den sie bisher getroffen hatte, verbracht. Diese eine Nacht war nicht von Rachegedanken erfüllt gewesen, die bisher vorherrschend in ihrem Sein gewesen waren. Sie war sich darüber im Klaren, dass es nicht Liebe war, die sie beide zueinander geführt hatte. Jethro hatte aber nun einen Platz in ihrem Herzen, und sie hoffte, dass es ihm ähnlich mit ihr erging. Denn obwohl es zu Beltane keine Regeln, keine Reue gab, war er der Erste gewesen, mit dem sie Mesgs Feuer geteilt hatte, und das machte ihn zu jemand besonderem.

Nun stand sie ihm zum ersten Mal seit dieser Nacht wieder gegenüber. Obwohl seine Aufmerksamkeit auf den vor ihm liegenden Saal gerichtet war, bemerkte er sie und lächelte ihr kurz zu, bevor er in den Saal betrat, um auch seine Gratulationen an das glückliche Elternpaar zu überbringen.

 

Für eine Nacht
Brianna d'elazar
Isabelle Royen

 

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Stand:30.09.2010