Der Vertrag

 

Chat Bidu atmete tief die feuchte, schwere Morgenluft ein. Sie genoß es, nach so langer Zeit einmal wieder an dem Leben der Oberwelt teilhaben zu dürfen. Das Tor des Hügelreiches lag schon drei Tagesreisen hinter ihr, und war der Weg auch manchmal durch das unstete Wetter des Herbstes beschwerlich, so war die Vorfreude auf Gwyddor ebenso ungetrübt wie ihre Freude, die Heimat wieder zu sehen.
Der Righ der Bolghinn war auf ihren Besuch durch eine Botschaft vorbereitet worden. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie an den Feldherrn der Thuatha dachte. Als Druide hatte sie ihn kennen gelernt, und sie war überzeugt, dass er nun als Krieger nicht minder zielstrebig und undurchschaubar war, wie seinerzeit als Druide.
Er hatte sie damals erwischt, - bei Hexerei, wie es hieß, - jedenfalls bei einer Zeremonie, die verboten und verpönt war bei den Druiden. Aber statt des zu erwartenden Wutanfalls und ihre Verbannung, war er nur schweigend um ihre aufgebauten Reliquien herum geschritten, hatte dieses und jenes in eine etwas andere Position gerückt, bis er wieder direkt vor ihr stand, und grinste. Noch heute erinnerte sich Chat an ihre sprachlose Verblüffung. Er hatte sie jungenhaft angegrinst und direkt in ihre Augen gesehen, als ob er dort eine Antwort auf eine ungestellte Frage finden würde. Dann hatte er genickt und gesagt: "Chat. Bidu, - Du weist hoffentlich, dass DIES hier verboten ist. Und das größte Verbot ist, dass du Dich DABEI erwischen lässt. Wenn Du noch weitere Fragen zu diesem Ritual hast, - Du weist, wo Du mich finden kannst."
Damit hatte er sich abgewandt und den Raum verlassen. Chat Bidus Knie hatten noch nicht aufgehört zu zittern, als er nochmals kurz um die Türecke herum sah.
"Unten am Fluss im Wald gibt es einen schönen kleinen Platz für SOLCHE Übungen, - und Du würdest diese Räumlichkeiten nicht entweihen!"
Nie wieder hatte er sie darauf angesprochen, wenn sie sich trafen. Sie waren Verbündete.

Seine Begrüßung fiel herzlicher aus, als sie erwartet hatte, und obgleich Gwyddor unter Anspannung zu stehen schien, nahm er seine Pflichten als Gastgeber sehr genau, indem er nach einem ausgiebigen Mahl Chat Bidu über dieses und jenes im Hügelreich ausfragte,- höflich zuhörend und ebenso höflich einige ihrer ausweichenden Antworten akzeptierend.
"Wüsste ich nicht, dass du eine Druidin bist, so hätte ich fast den Eindruck, dass deine Loyalität dem Hügelvolk gegenüber weit über die einer Botschafterin hinausgeht. Ich hoffe, dass dies nicht am Hügelprinzen liegt," lachte er und lehnte sich nach ihrem spärlichen Bericht tief in einen mit Fellen behangenen Sessel zurück.
Chat fühlte, wie eine Zorneswelle sie durchströmte, und schnappte nach Atem.
"Ihr könnt nicht wirklich glauben, dass dieser Weiberheld auch nur die…"
"Seine junge Frau schätzt ihn sehr, sagt man", unterbrach Gwyddor sie beiläufig im Plauderton.
Nichts hielt Chat mehr auf ihrem Sessel. Aufgebracht und mit zornigem Blick stand sie plötzlich wie eine Rachegöttin vor Gwyddor und sagte langsam, jede Silbe betonend: "SIE IST NOCH EIN KIND! Ich bin hier, weil ICH es möchte, und mag der innere Zirkel meine Person auch nicht schätzen, - ich BIN DRUIDIN, ICH BIN GEBORENE THUATHA, - und EUCH und MEIN VOLK schätze ich sehr."
Plötzlich wurde Chat Bidu sich ihres temperamentvollen Benehmens klar, dem Zorn folgte eine Schamesröte und verlegen wandte sie sich langsam wieder ihrem Sessel zu.
Als sie aufsah, spürte sie Gwyddors prüfende Augen auf sich ruhen. Er schien zufrieden, lächelte und beugte sich erwartungsvoll ihr zu.
"Nun, Chat Bidu, dann zeig mir, was du mir denn so Interessantes anzubieten hast."
Die Druidin zog eine Schriftrolle aus ihrem Lederbeutel und überreichte diese dem Righ der Bolghinn, welcher sie sorgsam studierte.
"So, so…2000 Mann…mit Rüstung und Waffen. Die kämen mir schon recht. Und sechs Goldringe pro Mann erscheinen mir als ein fairen Preis, - hoch, aber gerechtfertigt," murmelte Gwyddor.
"Dachte ich mir," sagte Chat Bidu triumphierend.
"Dennoch frage ich mich," wandte der Righ ein, "warum sie in unserem Krieg kämpfen sollten."
"Dies waren auch meine Bedenken," versicherte Chat Bidu, "doch sagte man mir, dass ihr Kampfgeist umso größer sei, da sie Verurteilte sind, die im Kampf ihre Ehre wieder zurück erlangen könnten, - insofern sie ihn überleben selbstverständlich. Eine Art Gottesurteil nach den Gesetzen ihres Landes."
"Mögen ihre Götter ihnen gnädig sein. Das käme uns allen zugute," schmunzelte Gwyddor.
"Ihr wisst wohl, dass Ery van Frysia persönlich Euer Geschäftpartner ist. Und bin ich auch Mittlerin bei diesem Handel, so müsst Ihr doch selbst dafür Sorge tragen, dass er sein Geld erhält, so wie er dafür sorgt, dass die Männer sich sauber und gut genährt in Euer Heer einreihen können."
"Nichts leichter als das," sprach der Righ. " Ich werde den Vertrag siegeln und ihn Ery van Frysia wieder zukommen lassen. Da dies nun geklärt ist," und er rollte die Schriftrolle wieder zusammen, "erweis mir die Ehre und sei mein Gast, solange du möchtet. Ich bin sicher, dass auch deine Eltern sich über ein Wiedersehen mit dir freuen würden., bevor du wieder ins Hügelreich zurückkehrt."

 

Der Vertrag
Chat Bidu
Britta Durchleuchter

 

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Stand:30.09.2010