Wie das Hügelblut zu den Thuach na Moch kam

 

Da gibt es eine Stadt, inmitten des Reiches der Tuach na Moch.
Ihre Häuser und Türme sind von glänzendem Grün, die stolz geschwungenen Dächer in der Farbe von Kork.
Man mag behaupten, dass diese Gebäude Flaschen ähneln, aber dies sei dahingestellt.
Große Fördertürme zeugen von einem wichtigen Stoff, der in, und um dieser Siedlung der Erde abgerungen wird.
Es handelt sich um das berühmte Heidebier des Hügelvolkes.
Und wenn man noch tiefer bohrt stößt man auf einen besonderen Schatz. Nein, nicht Gold und Edelsteine sind es, nach dem der Mocha hier fahndet. Das Hügelblut ist es, das er begehrt. Köstlich, ob es nun heiß oder kalt aus dem Schoß Magiras sprudelt.
Dies ist nicht die Geschichte von Arbeitern oder dem Fördern des begehrten Stoffes. Nein, dies ist die Legende von der Entstehung des Blutes und wie es zum Volk der Tuach na Moch kam.

***

Hell klangen Gläser schäumenden Bieres, wie sie aneinandergestoßen und in durstigen Zügen geleert wurden.
Mocha und Geholte aller Couleur saßen beisammen und erholten sich von ihrem Tagewerk.
Musikanten spielten fröhliche Weisen und man lauschte allenthalben alten Geschichten und neuen Lügenmärchen.
Hier waren sich alle gleich. Ob Bettler, Dieb, Gardist oder gar aus der herrschaftlichen Familie.
Wer dieses Haus betrat, ließ für kurze Zeit seine Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft hinter sich.
Hier war er nur ein durstiger Mann, Frau oder was auch immer.
So kam es das mitunter auch Todfeinde sich an einen Tisch setzten und miteinander tranken, Ihr sagt dies ist ein Ding der Unmöglichkeit? Mag sein, aber dies ist nun mal die Eigenart der Mocha.
An diesem Abend saß auch Arkan e`dhelcú, der Prinz der Tuach na Moch, unter den Zechenden.
Ein junger Geholter saß mit an seinem Tisch. Mit großen Augen sah er sich um, denn er war zum ersten mal in Cor Caen.
"Nun mein junger Freund," begann der Prinz, "erahnst du, warum ich dich hierher gebracht habe?"
"Mit Verlaub, Eure Hoheit," wollte der junge Mann antworten, als er von seinem Gegenüber unterbrochen wurde.
"Ah, ah," sagte dieser und drohte scherzhaft mit dem Finger. "was habe ich dir über diesen Ort erzählt?"
"Solange wir hier Gast sind, zählt kein Stand, noch großer Name." wiederholte der junge Mann. "Und ich weiß nicht was ich hier soll, auch wenn es mir gut gefällt," fügte er hinzu und nahm einen guten Schluck aus seinem Glas.
Arkan lächelte verschmitzt. "Es ist an der Zeit, dass du vom Hügelblut kostest," sagte er geheimnisvoll. "Und hier ist der beste Ort dies zu tun."
Er wandte sich zum Tresen "Wirt!!", rief er laut. "Eine Karaffe Hügelblut an unseren Tisch und auch Becher, aber schnell."
Rasch tat der Wirt wie ihm geheißen.
Der Prinz schenkte aus und erhob den Trunk zum Gruß.
Nachdem beide die Becher wieder abgesetzt hatten, schnalzte Arkan genießerisch und blickte verträumt in die tiefrote Flüssigkeit.
"Aber," sagte er mehr zu sich, "am interessantesten ist immer noch, wie dieses köstliche Getränk auf unsere Welt kam."
Einige Stühle wurden an den Tisch der beiden Zechenden gerückt und auf ihnen nahmen Männer und Frauen Platz, in Erwartung einer Geschichte.

***

"So will ich erzählen von einer Zeit, als noch keine Menschen, Elfen, Zwerge oder gar Mocha auf Magira lebten.
Magira jedoch war nicht trist und öde.
Gigantische Wälder, nicht enden wollende Gebirgszüge und rauschende Ströme waren das Gesicht einer Welt, die noch nie einen Sterblichen gesehen hatte.
Denn noch harrten diese ihres Erwachens.
Wohl aber gab es die Götter. Einige schon alt, aber andere noch jung und beinahe rüpelhaft.
Von zweien dieser Rüpel handelt meine Erzählung.
Moch und Mesg, die Söhne von Clanwhya oder auch Airdhust, wie sie in Tir Thuatha genannt und verehrt wird, waren noch jung an Jahren.
Wie alle Heranwachsenden waren sie voller Ungeduld, Tatendrang und hatten häufig den Kopf voller Flausen, die eines Gottes nicht wirklich zur Ehre gereichten.
Und wie es so oft bei Brüdern der Fall ist, mochten sich die beiden nicht sonderlich leiden.
Immer wieder suchte der eine den anderen zu übertrumpfen, zu beschämen oder zumindest ihm einen üblen Streich zu spielen.
Zwar vermieden sie meist ein Zusammentreffen, aber im Laufe eines unsterblichen Lebens blieb es gar nicht aus, dass ihre Wege sich ein ums andere Mal kreuzten.
Und in allen Fällen kam es zu einem heftigen Streit.
So auch an diesem wunderschönen Sommermorgen, als die Zeit für Magira noch keine Bedeutung hatte.
Die Sonne war über der ersten Weltenebene aufgegangen und vergoss verschwenderisch ihr goldenes Licht über sanfte grüne Auen.
Moch war an diesem Morgen schon früh auf den Beinen und erfreute sich am Gesang hunderter Vögel, die den Feuerball tirillierend begrüßten.
Doch da verfinsterte sich sein ebenmäßiges Antlitz, denn schon bevor er seinen verhassten Bruder auch nur über den Horizont kommen sah, spürte er dessen göttliche Aura.
Dann standen sie sich gegenüber. Mesg, wie immer mit einem arroganten Lächeln auf den Lippen, das ein wenig so wirkte, als hätte er zu viel des guten Weines genossen und Moch, der versuchte erhaben und unheimlich zu wirken, was ihn aufgrund seiner Jugend noch nicht so recht gelingen wollte.
"Sei gegrüßt, werter Bruder," erklang es gleichzeitig so eiskalt aus den Mündern der Gottheiten, daß es seitdem die harten Winter in einem Landstrich gab, der in Äonen einmal Tir Thuatha heißen würde.
"Es ist lange her, seit ich dich sah, Moch. Leider nicht lange genug. Beinahe hatte ich schon gehofft, dass du deinem unnützen Leben selbst ein Ende gesetzt hättest, doch halt, ich vergaß, zu einer solchen Tat fehlt dir der Mut, bist du doch dazu ausersehen, Magira den Tod zu bringen, was aus meiner Sicht recht nutzlos ist, angesichts dessen, das hier nichts stirbt…"
Der leicht untersetzte Gott lachte leise und kehlig, während er seinen dunklen Bruder nicht aus den Augen ließ, immer einen raschen Angriff erwartend.
Mochs Augen verengten sich angesichts dieser Provokation. Doch obwohl er dazu ausersehen war, einmal dem Tode selber zu befehlen, so war sein Geist mitnichten tot zu nennen. "Und du, der sich Gott der Sinnlichkeit und der wilden Ekstase nennst, wen hast du letztlich beobachtet beim sündigen Treiben, wenn es doch nur uns Zwei gibt? Ach halt, eine existiert ja auch noch …"
Er sah seinen Widersacher aus böse funkelnden Augen an. "Schämen solltest du dich! Unsrer Mutter steigst du also nach?"
Moch genoss die Zornesröte, die im Gesicht Mesgs aufstieg, in vollen Zügen.
"Wie kannst du es wagen?" fauchte er. "Ich sollte hier und jetzt dich in den Erdboden stampfen für deine frevelhaften Worte!!"
Grinsend rammte Moch seine rechte Ferse in den Boden und zog eine tiefe Spur in den Grund.
Dieser Graben füllte sich alsbald mit Wasser und bildete einen namenlosen Strom.
"Überspring das Rinnsal, wenn du dich traust, denn hier erwartet dich die Prügel deiner bisherigen Existenz."
Kaum war der Herausforderung ausgesprochen, da setzte Mesg über den Graben und ging seinen Bruder an.
Die Fäuste sprachen und nichts erinnerte mehr an stattliche Gottheiten, nein eher waren sie wie Knaben, die sich, um eines Spielzeuges willen, in die Haare bekommen hatten und sich nun um dessen Besitz bitterlich rauften.
Doch es ist ein Unterschied, ob Knaben oder Götter in Streit geraten.
Wackeln bei ersteren im schlimmsten Falle die Bohlen der Diele, so wankt bei letztgenannten das Universum.
Binnen Lidschlägen türmten sich Gebirge auf und vergingen wieder. Die große Weltenplatte zerbrach in mehrere Teile und wurde zu der Welt, wie wir sie heute als Magira kennen und bewohnen.
Schon hatten beide Kontrahenten leichte Blessuren davongetragen, ihrem gewählten Kampfplatz hingegen drohte beinahe der Untergang.
Die Blößen des Gegners anvisierend, suchten beide der Götter den alles entscheidenden Treffer zu landen.
Dann sahen beide ihre Chance gekommen. Gleichzeitig schlugen sie mit aller Macht zu. Mochs Hieb traf das rechte Auge seines Bruders mit solch immenser Wucht, dass helle Funken in den Himmel stoben und ihn bis zum heutigen Tage als glimmende Sterne bedecken. Von Zeit zu Zeit erlischt einer der Lichtpunkte. Dies sehen wir noch heute und die Unwissenden unter uns nennen sie schlicht Sternschnuppen, wenn die göttlichen Funken durch das nächtliche Firmament jagen.
Doch die Faust Mesgs zertrümmerte die Nase Mochs. Dunkelrot schoss sein Blut hervor und benetzte das junge Magira.
Der durstige Boden, gierig nach dem Lebenssaft des Gottes, sog das Nass in sich auf.
Auf seinem langen Weg in die Tiefen Magiras sickerte das edle Blut durch viele Schichten unserer Welt und nahm hundert-, nein tausendfach Aromen in sich auf.
Mal den Geschmack der Erde, Metalle und Pflanzen, aber dann auch, Äonen später, als schon längst Magira nicht mehr leer war, den der Geschichten, der Legenden und der Träume der Lebenden.
Die Tiefe selbst betätigte sich als ewiger Braumeister und schenkte uns so den köstlichen Trunk, den wir heute schlicht als Hügelblut bezeichnen und doch so lieben.
Kalt, wenn aus dem Gestein der bodenlosen Abgründe gesogen, aber heiß nahe dem Feuer des Herzens der Welt.

***

So kam es zu uns Sterblichen und wir können sicher sein, dass es uns noch laben wird, wenn manch ein Reich schon längst vergangen ist. Denn Moch gefällt es, seine Kinder zu beschenken.

***

Arkan lächelte versonnen und nahm einen tiefen, letzten Zug aus seinem Becher.
"Oh, und im Übrigen," sagte er und in seinen Augen blitzte der Schalk. "Es geht die Mär, dass die Götter die sterblichen und unsterblichen Wesen nur aus dem Grunde erweckten, damit sie selbst etwas zu tun hatten und sie sich nicht vor Langeweile gegenseitig an die Kehle gehen würden. In den heutigen, zivilisierten Tagen hetzen die Götter lieber ihre Völker aufeinander, als sich selber die Hände schmutzig zu machen."
"Hey, Erzähler, ist es denn auch alles wirklich so geschehen wie du es berichtest?," fragte einer der Lauschenden und lachte leise.
"Nun," sagte der Prinz gedehnt, "manch einer glaubt fest an diese Geschichte, manch ein anderer hält sie schlicht für Humbug. Aber solltest du einst Moch begegnen und du mutig genug sein, kannst du ihn ruhig fragen, wer um alles in der Welt ihm einst die Nase gebrochen hat ..."

***

Arkan bedeutete seinem Gegenüber, dass es nun an der Zeit wäre zu gehen. Sie verließen das merkwürdige Gasthaus, in denen Stände, Herkunft und Gesinnung keine Bedeutung hatten. Warum dies so ist, das man im "Botschafter" einige Stunden der Ruhe ohne Furcht verbringen kann, nun das ist eine andere Geschichte, die es aber auch wert ist, sie einmal zu erzählen...

 

Ende

 

Wie das Hügelblut zu den Thuach na Moch kam
Arkan e'dhelcú
E. Schramm

 

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Stand:21.07.2014